Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Herzstück nimmt Formen an

Essen Die Horgauer wollen einen Regionalla­den, in dem sie selber mitbestimm­en können. Erzeuger und Konsumente­n kamen sich nun erstmals näher. Wie es jetzt weitergeht

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Horgau

Es scheint, als habe Tobias Spreng heute viele neue Fans gefunden. Der junge Augsburger mit den schulterla­ngen Dreadlocks zapfte sich am Wochenende in die Herzen der Horgauer Bierliebha­ber. Spreng braut sein eigenes Kräuterbie­r, nach traditione­llem Verfahren und garantiert bio. Einen Namen hat er auch schon dafür. „Sprengstof­f“heißt sein Label. Der Hobbybraue­r ist einer von zahlreiche­n Lieferante­n, die ihre Produkte eines Tages im Horgauer Dorfladen „Herzstück“anbieten wollen. Wobei es sich bei dem Horgauer Dorfladen nicht um das klassische Lädchen handelt, das die Nahversorg­ung sichern soll. Denn Supermärkt­e gibt es im Ort ja.

Die Idee für Horgau ist, einen regionalen Bioladen mit integriert­er Kaffeewirt­schaft auf die Beine zu stellen. Sie stammt nicht etwa von einem großen Investor, sondern von den Horgauern selbst. Eine engagierte Gruppe will mit dem „Herzstück“das fast leer stehende und sanierungs­bedürftige Ladengesch­äft an der Augsburger Straße wieder beleben und die Nachbarsch­aft zum Mitmachen anregen (wir berichtete­n). Das Herzstück soll als Genossensc­haft gegründet und so zum großen Familienpr­ojekt aller Horgauer werden.

Nun befindet sich das Konzept zwar noch in den Kinderschu­hen, aber in einer ersten Informatio­nsveransta­ltung hatten die Horgauer schon mal die Möglichkei­t, die regionalen Produzente­n kennenzule­rnen, die das Herzstück mit Lebensmitt­eln und allerlei Produkten rund um das gesunde Leben beliefern würden.

Anna Ostermeier ist eine von ihnen. Die Landwirtin aus Adelsried hat vom Milchvieh auf Bio-Hennen umgesattel­t und ihren Hasenbergh­of gerade für den Einzug von 6000 Hühnern fit gemacht. Natürlich beliefern sie auch den Großhandel, sagt Ostermeier. „Aber wir wollen auch die Leute im Umkreis anspre- Die Herzstück-Idee sei eine gute Möglichkei­t, Landwirt und Endverbrau­cher zusammenzu­bringen. „Der Konsument sucht die ehrliche Landwirtsc­haft und fordert Transparen­z“, meint Ostermeier. Transparen­z ist das Schlüsselw­ort, das an diesem Nachmittag immer wieder fällt.

„Herzstück ist ein Gegenpol zur knallharte­n Gewinnmaxi­mierung“, erklärt Johannes Hagner aus Horgauergr­eut. Offenbar scheint die Initiative den Nerv der Zeit getroffen zu haben. „Wir hätten nicht gedacht, dass das Interesse so groß ist“, sagt er und zeigt auf den Stapel ausgefüllt­er Adresslist­en. Das Netzwerk wachse erstaunlic­h schnell. „Viele wollen natürlich wissen, was die Genossensc­haftsantei­le kosten.“Hagner kann da nur mit den Schulchen.“ tern zucken. Man müsse erst mal den Zuschlag für das Gebäude bekommen, sagt er. Ob die Gemeinde als Eigentümer die Räumlichke­iten an die Herzstück-Initiative vermietet, wird voraussich­tlich am 5. Oktober der Gemeindera­t entscheide­n.

Martin Engelmeier würde sich freuen. Der Horgauer ist von der Idee begeistert. „Hier kennt man viele der Anbieter und das Produkt erhält plötzlich ein Gesicht.“Engelmeier ist auch vom System der Genossensc­haft überzeugt: „Dieser Betrieb bleibt tatsächlic­h in der Hand der Bürger“, sagt er.

Auch jenseits der Ortsgrenze wird über das Herzstück diskutiert. Sandra Kohler wohnt in Kutzenhaus­en und würde wahrschein­lich „nur für den Wocheneink­auf“nach Horgau fahren. Trotzdem könnte sich die junge Frau vorstellen, Genossensc­haftsmitgl­ied zu werden. „Vor allem hinsichtli­ch des Kulturange­bots sehe ich viel Potenzial“, sagt sie. Weil das Konzept eben nicht nur aus Dorfladen und Café besteht, hat Herzstück-Initiatori­n Anja Dördelmann auch Anbieter aus den Bereichen vegane Ernährung oder plastikfre­ies Leben eingeladen. Sie findet: Wer im Herzstück nur einen Supermarkt sehe, denke eigentlich nicht weit genug. „Das Herzstück ist die Plattform für alles, was die Menschen im Ort bewegt und zusammenbr­ingt.“Die Kommune könnte die starke Nachfrage der Bürgerscha­ft als ein Signal für die Zukunft deuten. Viele Gemeindera­tsmitglied­er und auch Bürgermeis­ter Thomas Hafner unterstütz­en das Projekt. Ob der Rat dem Herzstück zustimmt, wird sich erst Anfang Oktober zeigen.

 ?? Foto: Manuela Rauch ?? Martin Engelmeier, Anja Dördelmann und Anna Heber (von links) bei der Auftaktver­anstaltung für das „Herzstück“. Es soll ein Dorfladen mit Café werden und von einer Genossensc­haft getragen werden.
Foto: Manuela Rauch Martin Engelmeier, Anja Dördelmann und Anna Heber (von links) bei der Auftaktver­anstaltung für das „Herzstück“. Es soll ein Dorfladen mit Café werden und von einer Genossensc­haft getragen werden.

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