Augsburger Allgemeine (Land West)
Air Berlin: Lufthansa greift zu
Luftfahrt Ein Großteil der Verhandlungen läuft inzwischen mit nur noch einem Bieter. Lufthansa-Chef rechnet mit 3000 neuen Mitarbeitern. Unter den Piloten aber geht die Angst um
Frankfurt/Berlin
Im Rennen um die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin hat die Lufthansa die Nase vorn. Die Gläubiger verhandeln exklusiv mit dem deutschen Marktführer über einen Verkauf der Air-BerlinTochter Niki und weiterer Teile der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft, wie die Deutsche PresseAgentur gestern Abend aus Verhandlungskreisen erfuhr. Kleinere Teile könnten demnach an die britische Gesellschaft Easyjet gehen, wahrscheinlich komme auch die Thomas-Cook-Tochter Condor noch ins Spiel.
Die Verhandlungen sollen demnach noch bis zum 12. Oktober dauern. Wie groß die einzelnen Verhandlungspakete sind, ist noch unklar. Air Berlin teilte mit, der Stand des Bieterverfahrens werde am kommenden Montag nach einer Aufsichtsratssitzung der Öffentlichkeit vorgestellt.
Der Berliner Flughafen Tegel stellt sich für diesen Tag auf eventuelle Flugausfälle ein, falls enttäuschte Air-Berlin-Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen. Konkrete Hinweise auf drohende Probleme gebe es aber nicht, sagte ein Flughafensprecher. Vergangene Woche waren nach massenhaften Krankmeldungen von Piloten mehr als 200 Flüge bei Air Berlin sowie der Lufthansa- Tochter Eurowings, die üblicherweise mit Air Berlin-Flugzeugen durchgeführt werden, ausgefallen.
Die verlustreiche Air Berlin hatte Mitte August Insolvenz angemeldet, nachdem der Großaktionär Etihad weitere finanzielle Unterstützung ausgeschlossen hatte. Ein Bundeskredit über 150 Millionen Euro soll den Betrieb der Air Berlin bis Ende November gewährleisten.
Bis Freitag waren mindestens sechs Angebote für die komplette Fluggesellschaft oder Teile davon eingegangen. Vorerst aus dem Rennen dürften nun die übrigen Bieter sein: die British-Airways- und Iberia-Mutter IAG (International Airlines Group), die Unternehmer Utz Claassen und Hans Rudolf Wöhrl sowie Jonathan Pang, der chinesische Betreiber des Flughafens Parchim. Der Ferienflieger Niki zählte zu den begehrtesten Teilen der Air Berlin. An den Langstrecken hatten die Bieter hingegen kaum Interesse.
Condor hatte sich mit dem NikiGründer zusammengetan, dem früheren Rennfahrer Niki Lauda. Nach Medienberichten wollten sie ursprünglich 38 Flugzeuge und Niki erwerben. Easyjet wurde Interesse an etwa 40 Flugzeugen nachgesagt, vor allem für die Kurzstrecke.
Die gesamte Air Berlin hat insgesamt mehr als 8000 Beschäftigte und 144 Flugzeuge. 38 davon samt Besatzungen hat Eurowings schon geleast, die Lufthansa-Billigtochter wirbt bereits neues Personal an. „Wir glauben, bald bis zu 3000 neue Mitarbeiter begrüßen zu können“, sagte Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr am Mittwochabend. Er wolle die 38 bereits angemieteten Mittelstrecken-Maschinen und 20 bis 40 weitere Flugzeuge von Air Berlin kaufen. Kommt es so, übernähme Lufthansa etwa die Hälfte der Flotte.
Zeitversetzt läuft der Verkauf der Air-Berlin-Techniksparte mit 850 Beschäftigten in Berlin und Düsseldorf. Air Berlin sammelt noch bis zum 6. Oktober Angebote. Mögliche Investoren bräuchten erst einmal Klarheit, wie es der Airline weitergeht, bevor sie passende Angebote abgeben können, hieß es zur Begründung. „Auch für diese Sparte der Air Berlin gibt es Interessenten“, betonte das Unternehmen. Ein Angebot hat bereits der Berliner Logistiker Zeitfracht abgegeben.
Die Stimmung in einigen Teilen der Belegschaft ist unterdessen angespannt. Verzichtet, gehofft, erduldet und gekämpft: Hans Albrecht wählt deutliche Worte für das, was die Mitarbeiter bei Air Berlin seit bald zehn Jahren durchmachen. Seit das erste von vielen Sparprogrammen kam, um die planlos gewachsene Airline zu sanieren.
Die viel zitierte Extra-Meile, man sei sie immer wieder gegangen, bemerkt der Flugkapitän bitter. „Streckenrechte, Slots, Flugzeuge, alles scheint für ein geordnetes Verfahren vorbereitet zu sein“, schimpft der Pilot Albrecht in einem Brief an das Management. Nur die Belegschaft lasse man im Unklaren. Alte, teure oder aufmüpfige Piloten könnten aussortiert werden, fürchtet die Gewerkschaft und fordert bislang vergeblich eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten.