Augsburger Allgemeine (Land West)

Brüssel will Apple und Co. strenger besteuern

Vorstoß Wie die EU-Kommission erreichen will, dass Großkonzer­ne ihre Abgaben dort zahlen, wo ihre Kunden wohnen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel

Es sind Beispiele wie diese, die die Finanzmini­ster der EU und die Brüsseler Kommission aus der Haut fahren lassen: Europäisch­e Verbrauche­r zahlen Beiträge an eine Online-Plattform, um von dort Musik oder Videos beziehen zu dürfen. Das Unternehme­n hat seinen Sitz in einem Nicht-EU-Staat mit niedrigen Steuern. Und obwohl es seine Gewinne mit europäisch­en Kunden macht, zahlt es in den Mitgliedst­aaten keine Steuern. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Konzerne dort, wo sie ihre Gewinne machen, auch Abgaben zahlen“, betonte EUWährungs­kommissar Pierre Moscovici in Brüssel, als er den Vorschlag der Juncker-Behörde für ein neues Steuersyst­em der digitalen Wirtschaft präsentier­te.

Wie nötig das ist, belegte die Kommission mit drastische­n Zahlen. Demnach beträgt die durchschni­ttliche Steuerlast für Betriebe mit herkömmlic­hem Geschäftsm­odell innerhalb der Gemeinscha­ft rund 23,2 Prozent. Internet-Unternehme­n aber bezahlen höchstens die Hälfte, viele sogar noch deutlich weniger. Die Situation werde, so die EU-Verwaltung, noch dadurch ver- schärft, dass die Zuwachsrat­en der Firmen mit „Bodenhaftu­ng“in den zurücklieg­enden Jahren im Schnitt ein Prozent betrugen, während die Top Fünf der digitalen Branche um bis 32 Prozent zulegten.

Dabei versteht sich die Union als globaler Vorreiter und „dringt auf eine umfassende Überarbeit­ung der Steuervors­chriften weltweit, um den neuen Gegebenhei­ten gerecht zu werden“, sagte Kommission­svize Andrus Ansip. Doch bisher gibt es wenig brauchbare Konzepte. Auch innerhalb der Gemeinscha­ft wird noch diskutiert, auf welchem Weg eine „faire, effiziente und zukunftsta­ugliche“Besteuerun­g erreicht werden könne. Vor wenigen Tagen hatte ein Papier der Finanzmini­ster von Deutschlan­d, Frankreich, Spanien und Italien die Runde gemacht. Es sieht die Berechnung der Abgaben auf der Grundlage der Umsätze (also nicht der Gewinne) und deren Aufteilung entspreche­nd der Geschäftsa­ktivitäten in den jeweiligen Mitgliedst­aaten vor. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble brachte es beim Treffen mit seinen Amtskolleg­en am vergangene­n Wochenende in der estnischen Hauptstadt Tallinn ein. Das Echo war verhalten: Lediglich zehn Kassenwart­e wollten den Vorstoß mittragen.

Die Kommission regt nun einen anderen Weg an. Sie will die Unternehme­n über eine einheitlic­he Bemessungs­grundlage der Körperscha­ftssteuer einbinden – vereinfach­t gesagt, eine Einkommens­teuer für die Konzerne. Wenn diese in allen EU-Ländern nach den gleichen Kriterien berechnet würde, könnte sie eine faire und gerechte Aufteilung der Abgaben sicherstel­len. Ein entspreche­nder Vorschlag wird bereits von Kommission, Mitgliedst­aaten und Europäisch­em Parlament beraten. Er müsste nur um Klauseln für die digitale Wirtschaft ergänzt werden. Der Vorstoß der EU-Behörde gehe „in die richtige Richtung“, betonte SPD-Europapoli­tiker und Finanzexpe­rte Peter Simon. Ob das die Mitgliedst­aaten auch so sehen, ist offen. Doch Brüssel drängt auf Klärung: Bereits Ende nächster Woche will die Kommission ihren Vorschlag den Staats- und Regierungs­chefs unterbreit­en und um Zustimmung werben. Denn auf eine globale Lösung könne niemand warten.

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