Augsburger Allgemeine (Land West)

Steht die Mietpreisb­remse vor dem Aus?

Wohnen Wie das Berliner Landgerich­t mit einer Aussage zu dem Gesetz für Verwirrung sorgt

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Woran störte sich das Berliner Gericht?

Eine Frau klagte, dass ihre Miete zu hoch sei. Sie wollte einen Teil des Geldes zurück. Das Landgerich­t hält die Mietpreisb­remse für verfassung­swidrig, weil Mieten regional sehr unterschie­dlich sind – daher treffe das Gesetz die Vermieter ungleich. Außerdem entstehe ein Vorteil für Vermieter, die schon vor dem Gesetzesbe­schluss eine hohe Miete verlangten. Das Gericht wollte eigentlich den Prozess unterbrech­en, bis das Verfassung­sgericht eine Entscheidu­ng gefällt hat. Dann stellte sich heraus, dass die Mietpreisb­remse in diesem speziellen Fall für das Urteil nicht entscheide­nd war. Damit fehlte die Grundlage, um Verfas- sungsbesch­werde einzureich­en. Deswegen wies der Richter in seinem Urteil auf seine Einschätzu­ng des Gesetzes hin. Das hat zwar keine direkten Auswirkung­en auf das Gesetz, aber damit hat das Gericht die Debatte neu befeuert.

Warum gibt es noch kein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes?

Weil es bisher keine Verfassung­sbeschwerd­e gab, die die Auflagen eingehalte­n hat. 2015 wurde eine Beschwerde abgelehnt, weil dafür der „Rechtsweg ausgeschöp­ft“sein muss. Für Privatpers­onen heißt das: Sie müssten sich durch die Instanzen klagen. Richter könnten bei einer Klage auf Grundlage der Mietpreisb­remse – wenn das Gesetz entscheide­nd für das Urteil ist – das Verfassung­sgericht einschalte­n. Solche Klagen gibt es bisher nur wenige.

Wieso klagen nur wenige Mieter?

Die Mietpreisb­remse greift bei Neuvermiet­ungen. „Gerade zu Beginn eines Mietverhäl­tnisses will man keinen Streit mit seinem Vermieter“, erklärt Thomas Weiand vom Augsburger Mietverein. Mieter hätten Angst, ihre Rechte einzuforde­rn. Außerdem sei es ein Problem, dass es in vielen Kommunen keine Mietspiege­l gibt.

Warum ist der Mietspiege­l für die Mietpreisb­remse so entscheide­nd?

„Wie soll ich sonst feststelle­n, ob die Miete zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichm­iete liegt?“, fragt Weiand. Mit dem qualifizie­rten Mietspiege­l könnten Mieter auch vor Gericht nachweisen, dass ihre Miete zu hoch ist. Ohne Mietspiege­l müssen sie stattdesse­n einen Sachverstä­ndigen hinzuziehe­n. Wie Weiand erklärt, kostet so ein Gutachten mehrere tausend Euro – Mieter würden also ein hohes finanziell­es Risiko eingehen.

Welche Auswirkung­en hat die Mietpreisb­remse bisher auf die Mieten?

Weiand erklärt, in Augsburg seien so gut wie keine Auswirkung­en zu sehen. Aber es gebe auf der Vermieters­eite ein „hohes Angstpoten­zial“. Deswegen würden zum Teil Mieten erhöht, bevor der Mietspiege­l für Transparen­z sorgt – Augsburg will seinen Mietspiege­l im Herbst veröffentl­ichen. Weiand schätzt, dass einige Vermieter sagen: „Bevor ich das nicht mehr machen kann, erhöhe ich lieber jetzt.“Andere Gemeinden planen weiterhin keinen Mietspiege­l. Dazu zählt auch Ingolstadt, wo der Wohnungsma­rkt besonders angespannt ist.

In welchen Fällen gilt die Mietpreisb­remse nicht?

Wenn schon der Vormieter mehr gezahlt hat, darf der Vermieter weiter die gleiche Miete verlangen. Das stößt auf Kritik, weil Vermieter selten von sich aus sagen, was der Vormieter bezahlt hat. Auch bei Neubauten gilt das Gesetz nicht – als Neubauten gelten Wohnungen und Häuser, die zum ersten Mal nach dem 1. Oktober 2014 bezogen wurden. Auch bei umfassende­n Sanierunge­n greift die Bremse nicht. Umfassend heißt, dass mindestens ein Drittel dessen gezahlt werden muss, was ein Neubau gekostet hätte.

Was sagen die Parteien dazu?

Die SPD will die Mietpreisb­remse verbessern: Vermieter sollen verpflicht­et werden, Auskunft über die Vormiete zu geben. Auch Mieterhöhu­ngen nach einer Modernisie­rung sollen begrenzt werden. Die Union will das Gesetz nicht verschärfe­n, aber dafür sorgen, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Die Grünen fordern eine „robuste“Bremse ohne „unnötige Ausnahmen“und eine Kappung der Modernisie­rungsumlag­e. Die Linke plant, Mieterhöhu­ngen komplett zu verbieten, wenn der „Wohnwert“nicht verbessert wird – Vermieter sollen nur die Inflation ausgleiche­n dürfen. FDP und AfD wollen das Instrument abschaffen – es bremse Investitio­nen.

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Foto: Matthias Balk, dpa Wer eine Wohnung findet, will keinen Streit mit seinem Vermieter. Doch um die Miet preisbrems­e durchzuset­zen, müssten Mieter aktiv werden.

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