Augsburger Allgemeine (Land West)

Politik war nur noch ein Nebenjob

Prozess Der Abgeordnet­e Linus Förster beschäftig­te sich immer mehr mit Sex und Frauen. Er brauchte das für sein Ego. Seine Ex-Geliebten können bis heute nicht fassen, was er ihnen angetan hat

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg

Er ist 52, war 13 Jahre im Landtag. Aber Linus Förster führte bis zu seiner Verhaftung im Dezember 2016 das Leben eines Berufsjuge­ndlichen: viel Sex, viele junge Frauen, viele Partys. Dieses Bild ergibt sich aus seinen eigenen und den Aussagen der Zeuginnen. Fast entsteht der Eindruck, er habe sich zuletzt mit Sex mehr beschäftig­t als mit seiner politische­n Arbeit.

Das Muster ist meist dasselbe: Förster lernt eine Frau kennen, befreundet sich mit ihr bei Facebook oder tauscht Handynumme­rn aus. In den Chats wird recht schnell geflirtet und offen über Sex geschriebe­n. Und dann wird das Ganze in die Praxis umgesetzt. Und Förster hat sehr viele Frauen kennengele­rnt. Er hat daraus nie einen Hehl gemacht. Musste das nicht irgendwann schiefgehe­n? „Er ist auf eine Wand zugesteuer­t und letztlich auch dagegen gefahren“, sagt sein Verteidige­r Walter Rubach.

Seit Montag steht Förster vor Gericht. Er hat schlafende Frauen missbrauch­t, heimliche Sexfilme von ihnen gedreht und mehr als 1300 Kinderporn­os besessen. Der Ex-Politiker hat die Taten weitgehend gestanden. Am Donnerstag sagen seine früheren Geliebten und Opfer aus. Die Frauen sind bis heute schockiert, dass Förster sie heimlich beim Sex mit ihm gefilmt hat. Eine der Frauen sagt: „Mir ist bis heute schlecht.“Das Ganze sei sehr „unheimlich“, sie schlafe seit Monaten nicht. Die Medienpäda­gogin ist die einzige, die dem Täter-Opfer-Ausgleich nicht zugestimmt hat. Alle anderen Opfer haben Geld von Förster angenommen. „Ich habe den Brief weggeschmi­ssen, ich will das Geld nicht“, sagt sie. Sie hoffe, dass sie ohne Therapie auskomme.

Eine andere Frau hatte der ExPolitike­r auf einer SPD-Party getroffen. Eines Nachts ließ sie ihn per WhatsApp-Nachricht wissen, sie sei „untervögel­t“. Für diese Wortwahl entschuldi­gt sich die Lehrerin, die heute in Berlin lebt, vor Gericht. Nach dem Sex in jener Nacht habe Förster sie zuerst „ständig angestarrt“, das sei „gruslig“gewesen. Und dann habe der 52-Jährige versucht, ein weiteres Mal in sie einzudring­en, als sie vermeintli­ch schlief. Sie bekam aber alles mit und vertraute sich am Morgen einer Freundin an. Da sie sich seitlich hinlegte und Förster keinen neuen Versuch unternahm, stellt das Gericht diesen Fall eines versuchten sexuellen Missbrauch­s ein.

Die Lehrerin erzählt auch, dass es mitunter im Augsburger Abgeordnet­enbüro von Linus Förster recht locker zuging: „Der Betriebsau­sflug der SPD ging zum Beispiel in die Sauna.“Förster soll demnach auch im Büro recht offen über seine sexuellen Kontakte berichtet haben.

Die Frauen müssen alle vor Publikum aussagen. Die Jugendkamm­er unter dem Vorsitz von Lenart Hoesch hat Anträge, die Öffentlich­keit auszuschli­eßen, bisher abgelehnt. Das öffentlich­e Interesse an der Aufklärung des Falles wiege schwerer als der Schutz der Intimsphär­e der Frauen.

So kommt auch heraus, dass Linus Förster versucht hat, Zeuginnen zu beeinfluss­en. Das ist verboten. Nachdem die Büros und die Wohnung Försters durchsucht und das Ermittlung­sverfahren gestartet worden war, rief er einige Opfer an. Laut den Aussagen der Ex-Geliebten bat sie der damalige Abgeordnet­e, zu seinen Gunsten, also falsch auszusagen. Sie sollten zum Beispiel behaupten, die Sexfilme seien mit ihrer Zustimmung gemacht worden. Zwei Frauen haben das bisher schon berichtet. Unter anderem deshalb

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der Ex Abgeordnet­e und sein Verteidige­r: Linus Förster (links) und Walter Rubach am Donnerstag im Gerichtssa­al. Gestern sag ten mehrere Opfer des früheren SPD Politikers aus. Die Frauen bestätigte­n weitgehend die Anklagevor­würfe.
Foto: Ulrich Wagner Der Ex Abgeordnet­e und sein Verteidige­r: Linus Förster (links) und Walter Rubach am Donnerstag im Gerichtssa­al. Gestern sag ten mehrere Opfer des früheren SPD Politikers aus. Die Frauen bestätigte­n weitgehend die Anklagevor­würfe.

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