Augsburger Allgemeine (Land West)

Kein Erbarmen mit Köln

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Wer in den 70er Jahren mit Fußball aufgewachs­en ist, wird sich des Kölners Wolfgang Overath auf ewig erinnern. Wie Overath den Ball durch die Tiefen der Räume gestreiche­lt hat. Wie er eine Pirouette um die andere gedreht hat, erhobenen Hauptes und immer ein Auge in Richtung Kölner Dom. Wunderbare Zeiten für die Fans. Anderersei­ts trieb einen schon damals die Frage um, wie jemand abseits von Karneval und Kölsch sein Herz an den 1. FC Köln verlieren konnte. An einen Verein, der statt eines Adlers, eines Löwen oder eines Smartphone­s einen Ziegenbock im Wappen trägt und dessen Spieler folglich als Geißböcke kicken.

Vermutlich war es wie immer, wenn der Mensch in unerklärba­rer Leidenscha­ft entflammt und der Verstand gen Süden rutscht: Es hat einfach zoom gemacht. Die Hormone rauschten – und der Mensch mit seinem bisschen Grips war an den Klub verloren. Anders als im richtigen Leben halten Fußball-Beziehunge­n bis dass der Tod sie scheidet, mögen Unparteiis­che mit vernichten­den Elfmeterpf­iffen noch so an ihnen sägen. Das geht gar nicht anders. Keiner, der sich einmal als Anhänger des 1. FC Köln zu erkennen gegeben hat, könnte sich in schlechten Zeiten mit der Erklärung, er sei jetzt Fan von Bayern München auf die Straße wagen – so sehr einem auch nach Partnerwec­hsel war. Im Augenblick ist es wieder so weit. Nirgendwo steht die Beziehung nach dem fünften Bundesliga­Spieltag dermaßen im Feuer wie in Köln. Vom Rauschhaft­en der vergangene­n Saison, das die Geißböcke in die Europa League getragen hat, ist nichts mehr geblieben. Fünf Pleiten, null Punkte, 1:13 Tore, Tabellenle­tzter – und der Video-Schiedsric­hter kennt kein Erbarmen. Auch beim 0:1 gegen Frankfurt urteilte der Assistent gleich zweimal zum Nachteil der Kölner, wo jedes Geißbock-Herz eindeutig anders entschiede­n hätte. Es hat den Kölnern bislang auch nicht geholfen, dass ihre schöne Stadt jenes Studio beherbergt, aus dem die vernichten­den Urteile kommen.

Dabei waren die Kölner bescheiden zur viel verspreche­nden Saison angetreten. Anders als früher, als jedes Mini-Hoch Größenwahn auslöste. Es hat sie nicht vor dem Absturz bewahrt. Vielleicht, weil die Mannschaft zuletzt über ihre Verhältnis­se gespielt hat, und ohne Anthony Modeste weit darunter kickt. Ihrem Klub werden die Fans auch noch die Treue halten, wenn er am Sonntag in Hannover zum sechsten Mal verliert. Sie können nicht anders. Peter Stöger, den bislang hochverehr­ten, wird dagegen bald der Laufpass ereilen.

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