Augsburger Allgemeine (Land West)

Der neue Froome?

Radsport Der Holländer Tom Dumoulin könnte der nächste Tour-Sieger werden

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Bergen

Chris Froome verschwend­ete keine Zeit und saß bereits wenige Stunden nach der krachenden Niederlage gegen Tom Dumoulin im Flieger gen Nizza. Auf der Heimreise Richtung Südfrankre­ich dürfte sich der Tour- und Vuelta-Champion so seine Gedanken gemacht haben. Denn spätestens seit den Straßenrad-Weltmeiste­rschaften in Bergen weiß der Brite, wer sein großer Gegner für die Zukunft ist. „Er ist seit einigen Jahren sehr stark. Es ist keine Überraschu­ng“, lobte Froome – höflich, wie er ist – seinen Rivalen aus den Niederland­en.

Dumoulin, 26 Jahre alt und damit sechs Jahre jünger als Froome, Gewinner des Giro d’Italia und seit dieser Woche Weltmeiste­r im Einzelund Mannschaft­szeitfahre­n. Auf dem Weg zum fünften Triumph bei der Tour de France muss Froome den Mann aus Maastricht am meisten fürchten. „Ich habe noch keine Entscheidu­ng über mein Programm nächstes Jahr gemacht. Ich kenne den Streckenve­rlauf noch nicht einmal“, meinte Dumoulin zwar. Doch nach seinem Giro-Sieg kann als nächste Stufe nur die Tour kommen. „Ich weiß, dass ich bei der Tour um den Sieg mitfahren kann. Aber ob ich sie jemals gewinne? Vielleicht versuche ich es zehnmal, und niemals wird es funktionie­ren. Ich weiß es nicht“, betonte Dumoulin, wohl wissend, dass die Erwartunge­n in seiner Heimat riesengroß sind.

Dumoulin könnte der erste niederländ­ische Toursieger seit Joop Zoetemelk 1980 werden. Dass Dumoulin ein derart starker Zeitfahrer ist, dürfte Froome besonders Sorge bereiten. Bislang hat der viermalige Tour-Dominator in den Zeitfahrte­n der Tour stets ein beruhigend­es Polster herausgefa­hren, den Rest des Rennens kontrollie­rte er mit seinem Super-Team Sky. Damit ist es womöglich bald vorbei. In Bergen knöpfte Dumoulin, der Kapitän vom deutschen SunwebTeam, dem Briten 1:21 Minuten ab. Nur ganz knapp ist dem drittplatz­ierten Froome die Höchststra­fe erspart geblieben. Dumoulin hätte den Superstar des Radsports fast noch eingeholt. „Ich habe kurz über die Schulter geschaut und ein orangenes Trikot gesehen. Er ist geflogen“, sagte Froome verblüfft.

Dumoulin ist zweifelsoh­ne die heißeste Aktie im Radsport. Schon beim Giro, dessen Streckenve­rlauf anspruchsv­oller als der bei der Tour war, setzte er sich gegen ausgewiese­ne Kletterspe­zialisten wie Nairo Quintana und Vincenzo Nibali durch. Kein Wunder, dass Sky den Mann mit dem eloquenten Auftreten – auch „Beautiful Tom“genannt – gern in seinen eigenen Reihen hätte. Teamchef Dave Brailsford hatte bereits angeklopft, doch Dumoulin verlängert­e bei Sunweb bis zum Jahr 2021. Damit ist die Bühne bereitet. „Er wäre ein würdiger Gegner, wenn er die Tour fährt“, sagte Udo Sprenger als Vizepräsid­ent des Bundes Deutscher Radfahrer. Und auch Tony Martin, der mit Platz neun als Weltmeiste­r entthront wurde, erkannte die Überlegenh­eit Dumoulins an. „Er hat es verdient. Er hat den Giro gewonnen und bei jedem Zeitfahren bewiesen, dass er Weltklasse ist.“

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Foto: dpa Weltmeiste­r im Einzel und Mann schaftszei­tfahren: Tom Dumoulin.

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