Augsburger Allgemeine (Land West)

In Gottes Namen

Religion In einem unscheinba­ren Gebäude in Göggingen beten Menschen an 24 Stunden am Tag, zu einer Konferenz kommen jährlich tausende Gläubige. Doch unumstritt­en ist das Gebetshaus nicht. Was steckt hinter dem Phänomen?

- VON JAN KANDZORA

Johannes Hartl geht schwierige­n Fragen in der Regel nicht aus dem Weg. Auf der Internet-Plattform „Youtube“stellt er sich sie auch selbst. Es gibt eine Reihe von Videos mit ihm, jeweils um die 90 Sekunden lang, es geht um Glaubensth­emen. „Hat Gott eine Meinung über Sexpraktik­en?“, ist etwa der Titel eines der Beiträge. Hartl, ein katholisch­er Theologe, sitzt auf einem gelben Sessel, blickt in die Kamera und sagt auch zu diesem Thema etwas.

Hartl, Jahrgang 1979, ist Leiter und Gründer des Gebetshaus­es, das eher unscheinba­r und verborgen in einem Gewerbegeb­iet in Göggingen zu finden ist; nebenan steht ein Autohaus, sonst gibt es hier nicht viel. Es wird im Gebetshaus ununterbro­chen gebetet, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Das ist die Idee des Ganzen. „Bei uns beten Christen verschiede­ner Konfession­en gemeinsam bei Tag und Nacht“, steht auf der Homepage. „Wir tun das auf moderne Weise mit zeitgenöss­ischer Musik und viel Kreativitä­t.“

Es läuft hier vieles etwas anders, als man es von herkömmlic­hen Gottesdien­sten der Kirche kennt. Gebete seien hier manchmal „wie ein Fieberkram­pf“, schrieb die Zeit einmal. Sie werden schon mal von E-Gitarren begleitet. Die Vorbeter, die sich beim Gebetshaus Missionare nennen, tragen keine zeremoniel­le Kleidung, sondern normale Alltagsklu­ft. Das Gebetshaus zählt zur Strömung der „charismati­schen Erneuerung“in der katholisch­en Kirche, eine Bewegung, die Ähnlichkei­t mit evangelisc­hen Freikirche­n besitzt. Das Gebetshaus ist in kirchliche­n Kreisen nicht unumstritt­en. Zuletzt aber hieß es, es werde dort „nichts gelehrt und verkündet, was im Gegensatz zur Lehre der katholisch­en Kirche steht“. So stand es in einer Mitteilung des Generalvik­ars an alle Pfarreien des Bistums Augsburg.

Die Verantwort­lichen des Bistums hatten sich zu der Stellungna­hme veranlasst gesehen, weil das Gebetshaus ziemlich groß und erfolgreic­h ist und stetig erfolgreic­her wird. Täglich kommen um die 100 Menschen in den Gebetsraum, schätzt Hartl. Manchmal auch 200. allem junge Menschen spricht das Angebot an. Die vom Gebetshaus ausgericht­ete ökumenisch­e „Mehr“-Konferenz, die einmal jährlich stattfinde­t, zieht tausende Besucher aus aller Welt an. Zuletzt kamen an die 10000 Menschen zu der viertägige­n Veranstalt­ung auf dem Messegelän­de. Er glaube, sagt Hartl, dass „lebendige, freudige Spirituali­tät grundsätzl­ich ansteckend“sei.

Wer sich im Internet umschaut, was Gläubige zum Augsburger Gebetshaus zu sagen haben, findet überwiegen­d zustimmend­e bis begeistert­e Kommentare. „Eigentlich gar nicht meine Frömmigkei­tsrichtung; aber definitiv ein Ort des Gebets. Schön, dass es so was gibt“, findet beispielsw­eise ein Mann. „Wohne zwar 600 Kilometer weit weg, komme aber immer wieder gern und genieße mein zweites Zuhause“, schreibt eine Frau.

Es ist allerdings auch nicht so, dass es keinerlei Kritik am Gebetshaus gäbe. Schwierige Fragen dazu. Sie betreffen auch die finanziell­e Seite des Projektes, hinter dem ein Verein steht, der Gebetshaus Augsburg e.V. Schon bei der letzten „Mehr“-Konferenz im Januar 2017 zahlten Besucher bis zu 140 Euro für den Eintritt; einige davon wandten sich später an unsere Zeitung, weil sie skeptisch geworden waren. Eine Frau wollte wissen, ob es sich um „Geschäftem­acherei“handele. Bei der kommenden Konferenz im Januar 2018 liegen die Preise noch einmal höher, regulär muss ein Erwachsene­r aktuell 149 Euro zahlen. Nicht viel weniger, als für ein großes Musikfesti­val fällig wird.

Im Aufwand, sagt Hartl, sei die „Mehr“-Konferenz durchaus mit einem großen Konzert zu vergleiche­n. Die Preise seien notwendig, um die Kosten der Veranstalt­ung zu decken. „Wir sehen das mit einem gewissen Schmerz, dass wir so viel verlangen müssen“, sagt er. Aber man sei froh, wenn man am Ende auf Null rauskomme. Security, Technik, Saalmiete: All das koste, und man habe keine großen Sponsoren im Hintergrun­d, die viel Geld beisteuert­en. Kinder, Besucher aus Osteuropa und Studenten zahlten auch nur einen Bruchteil des regulären Eintrittsp­reises.

Unstrittig ist: Tausende Gläubige kommen zur „Mehr“, auch wenn sie dafür vergleichs­weise viel Geld in die Hand nehmen müssen. Antje Gallert allerdings wird nicht mehr kommen. 2017 war sie noch dabei gewesen, zum ersten Mal. Über das Gebetshaus hatte sie zuvor unter anVor derem über Youtube erfahren. Erst, sagt sie, war sie begeistert. Doch auf der „Mehr“kam sie ins Grübeln. Unter anderem wegen der offensiven Spendenpra­xis. Das Gebetshaus als Verein ist spendenfin­anziert; Mitarbeite­r suchen sich einen eigenen Spenderkre­is. Auf der Konferenz, sagt Gallert, sei heftig dafür geworben worden, 1000 Euro für „Mission Campus“zu spenden, ein geplanter Anbau, für den der Verein neben dem Gebetshaus ein Grundstück kaufen will. Ein „Missionar“, den sie unterstütz­te, habe ihr zudem auf der Konferenz gesagt, er könne ihr auch seine private Kontonumme­r geben. Ein weiterer Punkt, der sie stutzig machte.

Gallert hat im sozialen Netzwerk „Facebook“einen offenen Brief an Hartl geschriebe­n. Darin fragt sie etwa, warum es eine Firma namens „Gebetshaus Augsburg Services GmbH“gibt, über die unter anderem Armbänder, Bücher von Johannes Hartl und CD vertrieben werden. Wo es doch immer heiße, der Verein trage sich zu 100 Prozent durch Spenden. So steht es auch auf der Homepage.

Hartl widerspric­ht den Vorwürfen. Aufgabe der GmbH sei es, Medien und Angebote zu unterstütz­en, die gratis herausgege­ben werden, deren Produktion aber etwas kostet. Also etwa die Youtube-Videos. Jeder Verein müsse spendenged­eckt sein, sonst griffen die Behörden ein. Andere Vereine verkauften auch mal Würstchen. Aber die Formulieru­ng „ausschließ­lich“könne man schon überdenken, sagt Hartl. In Saus und Braus lebe er aber wahrlich nicht. Hartl, der Lehramt studiert hat, sagt, er würde in diesem Beruf mehr verdienen als jetzt. Die gut 40 Angestellt­en seien ganz normal sozialvers­icherungsp­flichtig angestellt. Es gebe beim Gehalt zwar eine direkte Bindung zu personenbe­zogenen Spenden. „Aber wie viel jemand verdient, hängt, wie in anderen Organisati­onen auch, von ganz unterschie­dlichen Sachen ab.“Grundsätzl­ich orientiere man sich beim Gebetshaus an den Gehältern des Öffentlich­en Dienstes.

Wer sich im Gebäude umschaut, bekommt freilich den Eindruck, dass es für den Verein gut läuft. Die Räume sind modern und geschmackv­oll eingericht­et, im Eingangsbe­reich beim Café steht das Modell des „Mission Campus“, das eine Versammlun­gshalle werden soll, die Millionen kosten wird. Mehr als die Hälfte der Spenden, so geht aus einer Strichlist­e an einer Wand hervor, hat der Verein bereits beisammen. „Unser Wunsch ist, 2019 mit dem Bau zu beginnen“, sagt Hartl. 2018 plant das Gebetshaus eine weitere Großverans­taltung, eine Kunst- und Kulturvera­nstaltung im Kongress am Park. Dass das Gebetshaus boomt, liegt auch an Hartl, der charismati­sch, freundlich und jugendlich im Auftritt ist, was leicht darüber hinwegtäus­chen kann, dass er teils erzkonserv­ative Ansichten hat. Hartl redet nicht wie ein Pfarrer, sondern hält „Impulsund Motivation­sreden“zu geistliche­n Themen, wie er es selbst sagt.

Neulich hatten sie hier ein Jubiläum: Seit sechs Jahren wird in Augsburg nun ununterbro­chen gebetet. 24 Stunden am Tag, 168 Stunden die Woche, 365 Tage im Jahr.

Eine Konferenz, im Aufwand mit Konzerten vergleichb­ar Eine Versammlun­gshalle, die Millionen kosten wird

 ?? Fotos: Michael Hochgemuth ?? Der Eingangsbe­reich des Gebetshaus­es im Göggingene­r Gewerbegeb­iet gleicht einer Hotellobby. Das Haus selbst ist eher unscheinba­r und verborgen. Drinnen treffen sich tagtäglich viele Menschen, um gemeinsam zu beten. Doch die Einrichtun­g ist auch in die Kritik geraten.
Fotos: Michael Hochgemuth Der Eingangsbe­reich des Gebetshaus­es im Göggingene­r Gewerbegeb­iet gleicht einer Hotellobby. Das Haus selbst ist eher unscheinba­r und verborgen. Drinnen treffen sich tagtäglich viele Menschen, um gemeinsam zu beten. Doch die Einrichtun­g ist auch in die Kritik geraten.
 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Tausende Gläubige kamen im Januar dieses Jahres zur „Mehr“Konferenz nach Augsburg und bezahlten dafür bis zu 140 Euro Ein tritt. Danach gab es auch kritisch Fragen, ob solche Preise wirklich angemessen sind.
Foto: Annette Zoepf Tausende Gläubige kamen im Januar dieses Jahres zur „Mehr“Konferenz nach Augsburg und bezahlten dafür bis zu 140 Euro Ein tritt. Danach gab es auch kritisch Fragen, ob solche Preise wirklich angemessen sind.
 ??  ?? Johannes Hartl
Johannes Hartl

Newspapers in German

Newspapers from Germany