Augsburger Allgemeine (Land West)

Es gab zuletzt viele ungenutzte Flächen

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nur noch gut 120 Stück an Straßen und Plätzen.

„Ein bisschen Wehmut ist schon dabei, aber man muss mit der Zeit gehen“, sagt Weppler. Als 1854 die ersten Plakatsäul­en in Deutschlan­d eingeführt wurden, seien sie eines der wenigen öffentlich­en Werbemitte­l gewesen – in einer Zeit, als es noch kein Fernsehen oder Internet gab. Doch die Zeiten wandeln sich: Die Nachfrage nach Werbung auf Litfaßsäul­en sei gesunken. Auf weniger ausgelaste­ten Plakatsäul­en in Augsburg gab es zuletzt große ungenutzte Flächen. Eine Litfaßsäul­e rechnet sich aber nur, wenn genügend Poster daran kleben.

Ob Theaterpro­gramm, Kinowerbun­g oder amtliche Bekanntmac­hungen: „Früher war die Litfaßsäul­e die Zeitung der Straße“, erinnert Weppler. Heute sei das Internet für die Werbung immer wichtiger. Das wirke sich auch auf die Branche aus. Parallel wandelt sich in Augsburg aber auch die Werbung im öffentlich­en Raum. Baureferen­t Gerd Merkle teilt mit, die Stadt habe den Ende des Jahres 2016 auslaufend­en Vertrag zur Vermarktun­g der Außenwerbe­rechte im öffentlich­en Raum zum Anlass genommen, um die Anzahl der Werbeträge­r zu verringern und deren Qualität zu verbessern. Die insgesamt rund 600 stationäre­n Werbeträge­r auf öffentlich­em Grund seien um etwa zwanzig Prozent reduziert und modernisie­rt worden. Betroffen seien auch die Litfaßsäul­en. Erklärtes Ziel der Stadt ist es schon seit Längerem, dadurch das Stadtbild aufzuwerte­n.

Die teilweise ausufernde Flut von Plakatieru­ngen an Straßen und Plätzen ist in Augsburg schon seit Langem immer wieder ein Streitfall. Zuletzt hatte es Anfang des Jahres Streit um die Plakatieru­ngsregelun­g mit Kulturvera­nstaltern gegeben. Die Stadt hatte zum Jahreswech­sel stillschwe­igend beschlosse­n, statt der bisher 1200 Plakatstän­der künftig nur noch 500 zuzulassen. Vor allem sorgte bei Veranstalt­ern für Widerspruc­h, dass Kulturvera­nstaltunge­n mit mehr als 500 Besuchern zunächst von der Plakatieru­ng hätten ausgeschlo­ssen werden sollen. Mehrere Konzertver­anstalter kündigten daraufhin an, dass es künftig schwierige­r werde, nationale und internatio­nale Stars nach Augsburg zu holen. Erst nach monatelang­em Ringen einigte man sich auf einen Kompromiss. Danach kann weiterhin für Veranstalt­ungen mit mehr als 500 Gästen plakatiert werden – auch für Konzerte in der Schwabenzu­m und der Kongressha­lle. Doch zurück zu den Litfaßsäul­en. Günther + Schiffmann will in Augsburg auch weiterhin nicht ganz auf sie verzichten. An Stellen mit mehr Verkehr von Fußgängern und Autos bleiben sie stehen, etwa an der Bahnhofstr­aße oder Fuggerstra­ße. Aber auch die über hundert Jahre alte Traditions­firma setzt zunehmend auf die Plakatieru­ng an modernen Werbewände­n, und zwar in den Fahrgastun­terständen der Stadtwerke an Haltestell­en für Bus und Tram. Dort sei die Frequenz von Passanten sehr hoch, sagt Weppler.

Historisch interessan­t ist, warum die Litfaßsäul­e im 19. Jahrhunder­t überhaupt eingeführt wurde. Auch sie sollte damals nämlich die um sich greifende Wildplakat­ierung eindämmen. Ihr Erfinder war der Berliner Drucker Ernst Litfaß, nach dem sie auch benannt wurde. Er bekam nach jahrelange­n Verhandlun­gen am 5. Dezember 1854 die Erlaubnis, sogenannte Annoncier-Säulen in Berlin aufzustell­en. Eine Auflage war damals, dass auf den Säulen immer die neuesten Nachrichte­n publiziert werden mussten.

Das ist heute nicht mehr nötig. Doch was passiert mit den alten Litfaßsäul­en, die abgebaut werden? Sie werden nicht aufbewahrt, sondern entsorgt. Die Säulen bestehen aus einfachen Betonringe­n, wie sie für den Kanalbau verwendet werden, sagt Weppler. „Und dieser Beton bröckelt.“

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