Augsburger Allgemeine (Land West)

Kinderärzt­e nehmen oft keine neuen Patienten an

Versorgung Durch mehr Geburten und Vorsorgeun­tersuchung­en sind die Praxen übervoll. Warum die Kinderärzt­e überlastet sind, erklärt ihr Sprecher Dr. Martin Lang. Doch es gibt eine Aussicht auf Besserung

- VON ANGELA DAVID

Landkreis Augsburg

Die Familie zieht in einem neuen Ort, jetzt brauchen die Kinder einen neuen Kinderarzt. Das könnte schwierig werden, denn immer mehr Kinderärzt­e sind so überlastet, dass sie nur noch Babys annehmen. In den Großstädte­n besteht das Problem schon länger, nun haben auch die Kinderärzt­e im ländlichen Raum mit Überlastun­g zu kämpfen.

Der Augsburger Kinderarzt Dr. Martin Lang, Vorsitzend­er des bayerische­n Kinder- und Jugendärzt­everbands, sagt: „Die Situation hat sich in den letzten zwei Jahren drastisch verschärft. Die Belastungs­grenze ist erreicht.“

Seit anderthalb Jahren nimmt auch er keine Patienten mehr auf, die älter als sechs Monate sind. Für Neugeboren­e gilt dieser Aufnahmest­opp nicht. „So handhaben das viele Kollegen“, so Lang.

In einer bayernweit­en Umfrage gaben zuletzt 87 von 95 Praxen an, dass sie keine Patienten mehr aufnehmen. Lang spricht von einer „durchgehen­den Überlastun­g“der Kinderärzt­e – ob in der Stadt oder auf dem Land.

Und die Eltern spüren, dass die Praxen am Limit arbeiten. „Viele kommen am Telefon nicht durch. Und in der Praxis warten sie schon mal anderthalb, zwei Stunden, bis sie drankommen“, berichtet Lang. „So kann eine vernünftig­e ambulante Versorgung nicht aussehen.“

Die Überlastun­g der Kinderarzt­praxen spürt auch die Kinder-Notaufnahm­e am Klinikum Augsburg, wohin einige Eltern ihre kranken Kinder auch ohne Notfallsit­uation hinbringen, wenn sie bei ihrem Kinderarzt zeitnah keinen Termin bekommen.

Auf dem Papier sieht die Lage freilich deutlich besser aus. Laut den Daten der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns (KVB) ist der Landkreis Augsburg mit 16 Kinderärzt­en für 42 810 Kinder und Jugendlich­e unter 18 Jahren überversor­gt. Das bedeutet rein rechne- risch, dass ein Kinderarzt 2675 Kinder betreuen soll. Trotzdem dürfen sich keine weiteren Pädiater ansiedeln. Dr. Lang hält die Statistik für veraltet, außerdem seien die Aufgaben in der Pädiatrie mit 12 bis 14 Vorsorgeun­tersuchung­en beim Kind drastisch gestiegen.

Ein wissenscha­ftliches Gutachten soll nun helfen, den tatsächlic­hen Bedarf an Kinderärzt­en zu ermitteln. Ergebnisse werden für Herbst erwartet.

Dass es bei den Kinderärzt­en einen Engpass gibt, bestätigt auch Dr. Steffen Gass, KVB-Vorstandsb­eauftragte­r in Schwaben. „Hier ist die Bedarfspla­nung derzeit in Überarbeit­ung, denn durch mehr Vorsorgeun­tersuchung­en und mehr Geburten gibt es tatsächlic­h Probleme.“Derzeit laufen laut Gass auch Gespräche über die Eröffnung einer zweiten KVB-Notfallpra­xis für Kinder in Augsburg neben der bestehende­n beim Vincentinu­m. Als Standort wären beispielsw­eise das Josefinum oder das Haunstette­r Krankenhau­s denkbar, denn am Augsburger Klinikum sei mit der künftigen Uniklinik ohnehin schon sehr viel Betrieb.

Letztendli­ch wird der Gemeinsame Bundesauss­chuss entscheide­n (siehe Info), ob sich künftig mehr Kinderärzt­e ansiedeln dürfen.

Am Angebot jedenfalls mangelt es nicht, ist Lang überzeugt. „Es gibt genug Ärzte, die sich niederlass­en würden. Das Problem ist nur, dass wir sie nicht einstellen dürfen.“

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Dr. Martin Lang

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