Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Goldschmied und die Schmuckdiebe
Justiz Drei Männer brechen in ein Günzburger Juweliergeschäft ein. Ein unerwarteter Hinweis bringt sie vor Gericht
Günzburg
Als Anton Goßner im August 2013 mitten in der Nacht von der Polizei aus dem Schlaf gerissen wird, ahnt er bereits Schlimmes. Wenige Minuten später steht der Günzburger Goldschmied in seinem zerstörten Laden. Unbekannte sind durch ein Fenster eingestiegen und haben Schränke und Vitrinen geplündert. Zahlreiche Armbänder, Ohrringe, Halsketten und Uhren sind weg. „Natürlich war ich erschüttert“, erzählt der Goldschmiedemeister. „Wenn man ein Geschäft jahrzehntelang aufgebaut hat, steckt da viel Herzblut drin.“Es dauert Monate, bis alle Schäden repariert sind. Dann folgen Gespräche mit der Versicherung, Goßner rüstet sicherheitstechnisch auf. Ein mulmiges Gefühl bleibt. „Du nimmst das dann mit nach Hause. Wir haben uns wochenlang auch daheim unwohl gefühlt.“Erst langsam finden die Goßners wieder zur Normalität zurück, auch wenn das Diebesgut verschwunden bleibt. „Solche Fälle werden selten aufgeklärt, das weiß ich auch von Kollegen. Wir haben dann damit abgeschlossen.“Bis das Schicksal die Ermittler doch noch auf die Spur der Täter führt.
Ausgerechnet die Zwillingsschwester eines der Täter entschloss sich im vergangenen Jahr, zur Polizei zu gehen. Ein Jahr später sitzen die drei Männer auf der Anklagebank am Günzburger Amtsgericht. Zwei von ihnen sollen in das Juweliergeschäft eingestiegen sein, während der Dritte Schmiere stand. Zumindest der Aufpasser will mit dem Einbruch nichts zu tun gehabt haben. Er sei zwar in jener Nacht mit den anderen beiden Männern unterwegs gewesen, zum Tatzeitpunkt habe er sich aber mit einem Mädchen getroffen, sagt der 22-Jährige. Erst später habe er dann von dem Einbruch erfahren und auch Teile des Schmucks bei den anderen Angeklagten gesehen. Ob das stimmt, bleibt offen. Bis zum Ende des Prozesses werden seine ehemaligen Freunde zu den Vorwürfen schweigen.
Umso redseliger ist die Schwester des 21 Jahre alten Mitangeklagten. Von ihrer Aussage bei der Polizei, die alles ins Rollen gebracht hatte, will sie vor Gericht nichts mehr wissen. Ihr damaliger Freund habe sie zu der Aussage gezwungen, um sich am 33-jährigen Hauptangeklagten zu rächen. Mit diesem war die 21-Jährige zuvor in einer Beziehung. Und heute ist sie es wieder. Will sie ihren Lebensgefährten etwa durch falsche Angaben entlasten? Obwohl Richter Daniel Theurer der Frau mehrmals einschärft, dass eine Falschaussage vor Gericht strafbar ist, bleibt sie dabei.
Das macht die Sache nicht einfacher. Denn die weiteren Indizien und Zeugenaussagen sind nicht gerade aussagekräftig. Mehrere Menschen haben die Einbrecher in jener Nacht gesehen. Eindeutig identifizieren kann sie aber keiner von ihnen. Vier Jahre sind eine lange Zeit, in der Erinnerungen verblassen. Auch der zwischenzeitliche Freund der Schwester, der erst mit Verspätung im Zeugenstand auftaucht, kann sich an vieles nicht mehr erinnern. Er gibt aber an, dass der Zwilling seiner damaligen Freundin sich mit den Worten „Ich habe Scheiße gebaut“an ihn gewandt und um Rat gefragt habe. Der bereits mehrfach verurteilte Straftäter habe ihm dann geraten, zu schweigen. Rachegelüste habe es keine gegeben.
Hilfreicher für die Aufklärung sind die Fingerabdrücke des 21-jährigen Angeklagten, die am Fenster gefunden wurden, durch das die Täter eingestiegen sind. Außerdem wurde ein Küchenmesser gefunden, das der 33-Jährige wohl beim Einbruch dabei hatte und anschließend in einer Papiertonne entsorgt hat.
Für das Gericht ist auch ohne ein Geständnis der Angeklagten offensichtlich, dass sie die Täter sind. Zumal ein Blick ins Bundeszentralregister offenbart, dass sie allesamt vorbestraft sind, auch wegen diverser Diebstähle. Der 33-Jährige steht auch unter laufender Bewährung und hat sich zuletzt, trotz Arbeitslosigkeit, dadurch hervorgetan, sich vor ihm auferlegten Sozialstunden zu drücken. Dennoch scheint der Mann, der den Prozess mithilfe eines Dolmetschers verfolgt, mitgenommen. Als das Gericht sich über das Urteil berät, scheint der Mann vor dem Sitzungssaal den Tränen nahe, schnieft immer wieder.
Seine Befürchtungen bestätigen sich. Er muss für ein Jahr und zehn Monate ins Gefängnis. Eine Bewährung lehnt Richter Theurer ab und folgt damit der Forderung der Staatsanwaltschaft. Der 21-Jährige wird nach Jugendstrafrecht verurteilt. Da er seit dem Einbruch nicht mehr straffällig wurde und eine Berufsausbildung in Aussicht hat, kommt er mit einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro davon. Außerdem wird er ein Jahr lang vom Jugendamt betreut. Das Verfahren gegen den 22-jährigen, mutmaßlichen Schmieresteher wird eingestellt, da er als Einziger gestanden und so zur Aufklärung beigetragen habe.
Und der Schmuck? Angeblich hat der 33-Jährige das Diebesgut in Polen verkauft. Es wird wohl nicht mehr auftauchen. Das Gericht hat ihn dazu verurteilt, den kompletten Schaden in Höhe von 33 493 Euro zu ersetzen. Ob Anton Goßner das Geld je bekommt, bleibt offen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.