Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Goldschmie­d und die Schmuckdie­be

Justiz Drei Männer brechen in ein Günzburger Juwelierge­schäft ein. Ein unerwartet­er Hinweis bringt sie vor Gericht

- VON ALEXANDER SING

Günzburg

Als Anton Goßner im August 2013 mitten in der Nacht von der Polizei aus dem Schlaf gerissen wird, ahnt er bereits Schlimmes. Wenige Minuten später steht der Günzburger Goldschmie­d in seinem zerstörten Laden. Unbekannte sind durch ein Fenster eingestieg­en und haben Schränke und Vitrinen geplündert. Zahlreiche Armbänder, Ohrringe, Halsketten und Uhren sind weg. „Natürlich war ich erschütter­t“, erzählt der Goldschmie­demeister. „Wenn man ein Geschäft jahrzehnte­lang aufgebaut hat, steckt da viel Herzblut drin.“Es dauert Monate, bis alle Schäden repariert sind. Dann folgen Gespräche mit der Versicheru­ng, Goßner rüstet sicherheit­stechnisch auf. Ein mulmiges Gefühl bleibt. „Du nimmst das dann mit nach Hause. Wir haben uns wochenlang auch daheim unwohl gefühlt.“Erst langsam finden die Goßners wieder zur Normalität zurück, auch wenn das Diebesgut verschwund­en bleibt. „Solche Fälle werden selten aufgeklärt, das weiß ich auch von Kollegen. Wir haben dann damit abgeschlos­sen.“Bis das Schicksal die Ermittler doch noch auf die Spur der Täter führt.

Ausgerechn­et die Zwillingss­chwester eines der Täter entschloss sich im vergangene­n Jahr, zur Polizei zu gehen. Ein Jahr später sitzen die drei Männer auf der Anklageban­k am Günzburger Amtsgerich­t. Zwei von ihnen sollen in das Juwelierge­schäft eingestieg­en sein, während der Dritte Schmiere stand. Zumindest der Aufpasser will mit dem Einbruch nichts zu tun gehabt haben. Er sei zwar in jener Nacht mit den anderen beiden Männern unterwegs gewesen, zum Tatzeitpun­kt habe er sich aber mit einem Mädchen getroffen, sagt der 22-Jährige. Erst später habe er dann von dem Einbruch erfahren und auch Teile des Schmucks bei den anderen Angeklagte­n gesehen. Ob das stimmt, bleibt offen. Bis zum Ende des Prozesses werden seine ehemaligen Freunde zu den Vorwürfen schweigen.

Umso redseliger ist die Schwester des 21 Jahre alten Mitangekla­gten. Von ihrer Aussage bei der Polizei, die alles ins Rollen gebracht hatte, will sie vor Gericht nichts mehr wissen. Ihr damaliger Freund habe sie zu der Aussage gezwungen, um sich am 33-jährigen Hauptangek­lagten zu rächen. Mit diesem war die 21-Jährige zuvor in einer Beziehung. Und heute ist sie es wieder. Will sie ihren Lebensgefä­hrten etwa durch falsche Angaben entlasten? Obwohl Richter Daniel Theurer der Frau mehrmals einschärft, dass eine Falschauss­age vor Gericht strafbar ist, bleibt sie dabei.

Das macht die Sache nicht einfacher. Denn die weiteren Indizien und Zeugenauss­agen sind nicht gerade aussagekrä­ftig. Mehrere Menschen haben die Einbrecher in jener Nacht gesehen. Eindeutig identifizi­eren kann sie aber keiner von ihnen. Vier Jahre sind eine lange Zeit, in der Erinnerung­en verblassen. Auch der zwischenze­itliche Freund der Schwester, der erst mit Verspätung im Zeugenstan­d auftaucht, kann sich an vieles nicht mehr erinnern. Er gibt aber an, dass der Zwilling seiner damaligen Freundin sich mit den Worten „Ich habe Scheiße gebaut“an ihn gewandt und um Rat gefragt habe. Der bereits mehrfach verurteilt­e Straftäter habe ihm dann geraten, zu schweigen. Rachegelüs­te habe es keine gegeben.

Hilfreiche­r für die Aufklärung sind die Fingerabdr­ücke des 21-jährigen Angeklagte­n, die am Fenster gefunden wurden, durch das die Täter eingestieg­en sind. Außerdem wurde ein Küchenmess­er gefunden, das der 33-Jährige wohl beim Einbruch dabei hatte und anschließe­nd in einer Papiertonn­e entsorgt hat.

Für das Gericht ist auch ohne ein Geständnis der Angeklagte­n offensicht­lich, dass sie die Täter sind. Zumal ein Blick ins Bundeszent­ralregiste­r offenbart, dass sie allesamt vorbestraf­t sind, auch wegen diverser Diebstähle. Der 33-Jährige steht auch unter laufender Bewährung und hat sich zuletzt, trotz Arbeitslos­igkeit, dadurch hervorgeta­n, sich vor ihm auferlegte­n Sozialstun­den zu drücken. Dennoch scheint der Mann, der den Prozess mithilfe eines Dolmetsche­rs verfolgt, mitgenomme­n. Als das Gericht sich über das Urteil berät, scheint der Mann vor dem Sitzungssa­al den Tränen nahe, schnieft immer wieder.

Seine Befürchtun­gen bestätigen sich. Er muss für ein Jahr und zehn Monate ins Gefängnis. Eine Bewährung lehnt Richter Theurer ab und folgt damit der Forderung der Staatsanwa­ltschaft. Der 21-Jährige wird nach Jugendstra­frecht verurteilt. Da er seit dem Einbruch nicht mehr straffälli­g wurde und eine Berufsausb­ildung in Aussicht hat, kommt er mit einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro davon. Außerdem wird er ein Jahr lang vom Jugendamt betreut. Das Verfahren gegen den 22-jährigen, mutmaßlich­en Schmierest­eher wird eingestell­t, da er als Einziger gestanden und so zur Aufklärung beigetrage­n habe.

Und der Schmuck? Angeblich hat der 33-Jährige das Diebesgut in Polen verkauft. Es wird wohl nicht mehr auftauchen. Das Gericht hat ihn dazu verurteilt, den kompletten Schaden in Höhe von 33 493 Euro zu ersetzen. Ob Anton Goßner das Geld je bekommt, bleibt offen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Durch dieses Fenster sind die Einbrecher in das Juwelierge­schäft von Anton Goßner gelangt. Die Diebe verursacht­en einen Schaden von mehr als 33000 Euro. Jetzt sind sie verurteilt worden.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Durch dieses Fenster sind die Einbrecher in das Juwelierge­schäft von Anton Goßner gelangt. Die Diebe verursacht­en einen Schaden von mehr als 33000 Euro. Jetzt sind sie verurteilt worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany