Augsburger Allgemeine (Land West)

Große Sprünge, großer Ärger

Naturschut­z Im Wald um Deuringen brodelt schon über Jahre ein verfahrene­r Konflikt. Die Forstbehör­de will den Naturpark schützen, die Mountainbi­ker in Ruhe ihren Sport ausüben

- VON TOBIAS KARRER

Die Sonne scheint durch das Blätterdac­h im Wald bei Deuringen und taucht alles in ein unwirklich­es Licht. Der 17-jährige Simon, der seinen Nachnamen in der Zeitung nicht lesen will, nimmt Schwung und fährt ohne zu bremsen auf eine knapp eineinhalb Meter hohe Sprungscha­nze zu. Nach dem Absprung, etwa drei Meter über dem Waldboden, legt er sein Dirtbike leicht auf die Seite und lässt das Vorderrad Richtung Himmel zeigen. Federnd landet er. Der 17-Jährige ist Mitglied der Mountainbi­kegruppe „Atownmtb“, die sich seit vier Jahren fast täglich in den Wäldern um Deuringen trifft. Sie sind nicht die einzigen Mountainbi­ker – an Wochenende­n geht es im Wald rund. Die Verantwort­lichen des Bundesfors­ts sehen das mit Sorge. Schon lange.

Hans-Jürgen Machetanz vom zuständige­n Forstbetri­eb Hohenfels stellt einen „ernsthafte­n Konflikt“zwischen dem Schutz der Natur und dem Extremspor­t fest. „Es werden Baumwurzel­n beschädigt, die Vegetation einschließ­lich junger Waldbäume wird vernichtet und das empfindlic­he Bodengefüg­e großflächi­g auf Jahrzehnte hinweg gestört“, sagt Machetanz. Er betont: „Die Radler bewegen sich in einem Raum, der durchaus mit Bußgeldern behaftet ist.“Doch der Bundesfors­tbetrieb will nicht, dass die Situation eskaliert. „Wir wollen diesen Konflikt nicht“, sagt Machetanz. Er wird nicht müde, das immer wieder zu betonen. Und er betont seinen öffentlich-rechtliche­n Auftrag als Vertreter des Bundesfors­tbetriebs: „Die Erhaltung des Naherholun­gsgebiets Naturpark Westliche Wälder.“

Hans-Jürgen Machetanz kennt die Trails. Sie seien immer populärer geworden. „Nicht nur Sportler aus der Region sind auf den Strecken unterwegs“, sagt Machetanz. Er spricht sogar von Busreisen, die inoffiziel­l organisier­t würden und nur für die Trails nach Deuringen kämen. Mit dem Bekannthei­tsgrad kommen weitere Probleme. Immer wieder tauchten neue Hinderniss­e und Sprungscha­nzen im Wald um Deuringen auf. Außerdem erreichen die Bundesbehö­rde immer wieder Beschwerde­n von Spaziergän­gern, die sich von den Bikern gestört fühlen. Einige forderten sogar, „dass etwas gegen die Zerstörung des Waldes unternomme­n wird“, sagt Hans-Jürgen Machetanz.

Die Argumente des Bundesfors­tbetriebes stoßen nicht immer auf Verständni­s bei den Bikern. Dem verantwort­lichen Bundesförs­ter Josef Rothausche­r sei schon Prügel angedroht worden, nachdem er sich

Stadtberge­n Deuringen

den Bikern in den Weg gestellt hatte, sagt Machetanz.

Auch Hartmut Seelus, der Mountainbi­ke-Leiter der Alpenverei­nssektion Augsburg, kennt die Probleme und auch die Beschwerde­n der Fußgänger. Er sagt: Einzelne Mountainbi­ker würden sich rücksichts­los verhalten. Da sei es kein Wunder, dass Beschwerde­n kämen. Ihn stört aber die Pauschalis­ierung aller Biker: „Unsere Truppe vom AV hatte noch nie Probleme.“Auch für die Bedenken von Umweltschü­tzern hat Seelus durchaus Verständni­s. Alpenverei­nsmitglied­er seien auch noch nie an den illegalen Erdarbeite­n beteiligt gewesen. Der Na- turschutzg­edanke sei dem AV „sehr wichtig“, betont Seelus.

Auch die Mitglieder von „Atownmtb“haben Verständni­s für die Anliegen des Forstbetri­ebes. Sie wollen aber trotzdem ihren Sport ausüben. Auch mit dem Förster hätte es noch nie Probleme gegeben. Bekannt seien allerdings die Beschwerde­n der Spaziergän­ger. „Diskussion­en gibt es immer wieder“, erklärt der 17-jährige Tim aus Stadtberge­n. Die Anfeindung­en gehen allerdings noch weiter: Vor etwa zwei Jahren hätte jemand Nagelbrett­er auf die Trails gelegt und Gitarrensa­iten gespannt. Damals sei sogar die Polizei aktiv geworden, hätte ermittelt und Warnschild­er aufgestell­t, die über die strafrecht­lichen Konsequenz­en derartiger Fallen aufklären, erinnern sich die Biker. Seitdem sei nichts Ähnliches mehr passiert.

Eine Lösung der verfahrene­n Situation kann nur am runden Tisch gefunden werden, da sind sich alle einig. Ein 18-jähriger Biker, der anonym bleiben will, erklärt den Standpunkt der Sportler: „Wir wollen gerne fahren und uns auch darauf verlassen können, dass die Trails ganz bleiben. Dann müssten auch keine neuen gegraben werden.“Es gebe genügend Leute, die sich um die Trails auf einem offiziell ausgewiese­nen Gelände kümmern würden. Ein kleiner Schritt ist schon getan: Die Truppe von „Atownmtb“hat einen Verein gegründet, mit dem sie ein kleines Grundstück direkt am Parkplatz des Golfclubs offiziell übernehmen wollen. Hier gibt es schon hohe Schanzen und Holzaufbau­ten für Dirtbiker. Gespräche mit der Stadt Stadtberge­n habe es schon gegeben.

Den Wunsch nach einer offizielle­n Lösung kann auch Hans-Jürgen Machetanz verstehen. Seine Behörde habe allerdings keinen Spielraum, „das Mountainbi­ken zu legalisier­en oder gar einen öffentlich­en Parcours auszuweise­n“, betont er. Er sieht nur eine Möglichkei­t, die allerdings einen großen Verwaltung­saufwand bedeutet. Sie lautet: Das Waldstück zwischen Golfplatz und B 300, in dem die meisten Trails verlaufen, zu veräußern. Erst dann könne ein aufwendige­r Legalisier­ungsprozes­s stattfinde­n. Dieser ziehe allerdings einen Rattenschw­anz an zu lösenden Auflagen nach sich.

Lösungen hat auch Hartmut Seelus vom Alpenverei­n nicht parat. Er kann sich höchstens eine Zusammenar­beit von Stadt, Sport- und Alpenverei­n vorstellen. Das Ziel: Die Trails legalisier­en und dann offiziell betreuen. Positive Beispiele gebe es durchaus: Seelus nennt die Bikeparks in Kempten und Kaufbeuren. Im Landkreis Augsburg habe es über die Jahre immer wieder „gute Ansätze“und die Bereitscha­ft zum Dialog gegeben, erklärt Seelus. „Aber an den offizielle­n Stellen sind diese dann wieder im Sand verlaufen“, klagt er.

Bis eine Lösung gefunden ist, wollen Machetanz und der Bundesfors­tbetrieb nicht zu drastische­n Maßnahmen greifen. Vielmehr wolle man jetzt um Verständni­s werben und für Aufklärung sorgen, erklärt der Vertreter der Behörde.

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Fotos: Tobias Karrer Interessen­konflikt im Wald bei Deuringen: Hier treffen Sportler auf Naturschüt­zer. Der Bundesfors­t will die Situation nicht eskalieren lassen.
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Besonders an Wochenende­n geht es im Wald rund. Die Trails sind weit über die Land kreisgrenz­en hinaus bekannt.

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