Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Liberalen feiern ihren Retter
FDP Christian Lindner hat seiner Partei zu einem fulminanten Comeback verholfen. Wird er jetzt auch Fraktionschef?
Berlin Sie sind wieder da. Nach vier Jahren in der außerparlamentarischen Opposition zieht die FDP mit einem zweistelligen Ergebnis triumphal wieder in den Bundestag ein. Allen voran: Christian Lindner.
Als der Parteichef am Sonntagabend die Bühne des Hans-Dietrich-Genscher-Hauses in Berlin betritt, tobt die Menge. Drei Mal beginnt er seine Dankesrede wieder von vorn. Man hört ihn kaum. Er wird gefeiert wie ein Popstar: „Christian, Christian, Christian.“Vor vier Jahren, nach der letzten Bundestagswahl, sah das bei seinem Vorgänger Philipp Rösler noch ganz anders aus. Zu feiern gab es da auf der Wahlparty der Liberalen nichts. Knapp war die FDP erstmals nach 65 Jahren an der Fünf-ProzentHürde gescheitert.
Vier Jahre später hat sich das Blatt gewendet. Mittlerweile sind die Liberalen wieder in neun der 16 Landtage vertreten. In Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen regieren sie mit – und im womöglich auch bald wieder. Nach der Absage der SPD an eine erneute Große Koalition könnte sich die Partei bald in Regierungsverantwortung wiederfinden. Zwar hat sie das Ziel verfehlt, dritte Kraft zu werden, doch Lindner ist in Feierlaune: „Die Menschen haben uns ein Comeback ermöglicht.“
Der Neuanfang seiner Partei habe sich ausgezahlt. „Ab jetzt gibt es wieder eine Fraktion der Freiheit im Bundestag.“Aus der neuen Chance erwachse aber auch Verantwortung, warnt der Vorsitzende. Die Menschen hätten die FDP schließlich nicht aus Dankbarkeit gewählt. Es gelte, den Auftrag der Wähler ernst zu nehmen und den alten Platz der Partei wieder einzunehmen.
Wo der liegt? „In der Mitte“, meint Lindner und grenzt seine Partei noch einmal von der AfD, der drittstärksten Partei nach dieser Wahl, ab: „Wir Liberalen sind der klarste Gegenpol zur Abschottung der AfD.“Ob die FDP auch ohne ihren Spitzenkandidaten zurück in den Bundestag gefunden hätte, lässt sich nur vermuten. Den Wahl- kampf, so schien es aber, übernahm er praktisch im Alleingang. Das Image der Klientelpartei sollte weichen. Mit der Parole „Denken wir neu“hat Lindner Themen wie Digitalisierung, Breitbandausbau, Bildungspolitik und Selbstbestimmung in den Mittelpunkt seiner Partei gerückt – flankiert von der Forderung nach Steuersenkungen von 30 Milliarden Euro und mehr im Jahr. Gleichzeitig allerdings warnt Lindner: „Der Erneuerungsprozess der FDP ist nicht abgeschlossen.“
Die Partei habe sich in den vergangen vier Jahren verjüngt, meint ein junger Liberaler aus BadenWürttemberg auf der Wahlparty. Und auch inhaltlich setze sich die FDP wieder mehr für Wähler seiner Generation ein, sagt der junge Mann in Jeans, Hemd und Europa-Flagge, die er als Umhang umgebunden hat. Wie es nach dem guten Abschneiden seiner Partei nun weitergeht? Noch sei es für Diskussionen um mögliche Koalitionen zwar zu früh, betont Lindner, die Liberalen wollen aber Verantwortung übernehmen. Auch welche Rolle Lindner künftig innerBund halb seiner Partei übernehmen wird, ist noch unklar. Alles spricht jedoch dafür, dass er künftig auch den Fraktionsvorsitz im Bundestag übernimmt. FDP-Vize Wolfgang Kubicki wird ihn jedenfalls bei der konstituierenden Sitzung der Fraktion an diesem Montag vorschlagen.
Der 38-jährige Vorsitzende ist der unumstrittene Star der Liberalen: Nachdem die FDP aus dem Bundestag geflogen war, hat Lindner die Partei inhaltlich und personell ausgemistet. Neben ihm wird vor allem Kubicki eine wichtige Rolle in der neuen FDP spielen. Er gehört zu den wenigen Spitzenpolitikern der „alten FDP“, die das große Aufräumen nach der Pleite 2013 politisch überlebt haben. Der Anwalt aus Kiel ist ein Freund der offenen Worte, was ihm Respekt und Kritik gleichermaßen einbringt.
Dazu kommen Generalsekretärin Nicola Beer, die als hessische Staatssekretärin für Europapolitik sowie als Kultusministerin in Wiesbaden schon ein paar Jahre Regierungserfahrung hat, und ein Mann mit einem prominenten Namen in der FDP: Alexander Graf Lambsdorff. Der Neffe des früheren Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff ist der außenpolitische Experte seiner Partei. Der 50-Jährige, bisher Vizepräsident des Europaparlaments, gilt international als bestens vernetzt und bringt aus dem Europaparlament auch den Diplom-Volkswirt Michael Theurer mit, den Vorsitzenden der baden-württembergischen Liberalen. In Berlin dürfte der 50-jährige Theurer sich für seine Fraktion vor allem um Wirtschafts- und Finanzpolitik kümmern – und Hermann Otto Solms um die Finanzpolitik. Der FDP-Schatzmeister ist ein anerkannter Finanz- und Haushaltsexperte. In den Koalitionsverhandlungen mit der Union nach der Bundestagswahl 2009 galt er als Kandidat für den Posten des Finanzministers, musste dann aber Wolfgang Schäuble (CDU) den Vortritt lassen.
Zu ihrer ersten Sitzung treffen sich die neuen Bundestagsabgeordneten der FDP heute übrigens noch in der Parteizentrale. Im Bundestag haben sie im Moment ja keinen Fraktionssaal