Augsburger Allgemeine (Land West)

Ergebnisse mit der ganz besonderen Note

Analyse In einem Stadtteil sind enttäuscht­e CSU-Anhänger massiv zur AfD gewandert. Es gibt eine Zone, in der die Grünen stark punkten. Dagegen muss die SPD mit einem anderen Phänomen umgehen

- VON MICHAEL HÖRMANN

Die Bundestags­wahl 2017 hat historisch­e Ausmaße. Am Tag danach beginnt in den Parteien die Aufarbeitu­ng. Dies gilt auch in einer Analyse für das Wahlergebn­is in Augsburg. Es war ein Wahltag mit höchst unterschie­dlichen Erkenntnis­sen, die in einer Auswertung der Stadtbezir­ke deutlich werden. ● Wahlbeteil­igung Mit 87,1 Prozent lag sie im Spickel am höchsten, dicht gefolgt von Bergheim mit 86,3 Prozent. Bergheim hatte bei der Bundestags­wahl 2013 noch die Spitzenpos­ition (81,6 Prozent) inne. Offenkundi­g ist, dass speziell im Stadtteil Oberhausen die Wahlmüdigk­eit besonders ausgeprägt ist. Beide Bezirke Oberhausen-Süd (56,7) und Oberhausen-Nord (54,6) liegen unter der 60-Prozent-Marke. Eine so schwache Wahlbeteil­igung gibt es in keinem anderen Stadtteil. Die 43,3 Prozent Wahlbeteil­igung im Viertel Links der Wertach-Süd erklären sich laut Stadt dadurch, dass dort die Briefwähle­r dem Bezirk Links der Wertach-Nord zugeordnet wurden. Im einwohners­tärksten Stadtteil Lechhausen ist zu sehen, dass hier in allen drei Bezirken die Beteiligun­g unter der 70-Prozent-Marke liegt. ● Wiedergewä­hlte Abgeordnet­e Trotz deutlicher Verluste hat CSUMann Volker Ullrich sein Direktmand­at mit 34,8 Prozent (2013: 44,4) verteidigt. Über die Landeslist­e ziehen Ulrike Bahr (19,3) und Claudia Roth (13,9) ein. Roth legte gegenüber 2013 zu, Bahr verlor fast sechs Prozent. Die drei Abgeordne- ten, die den Wahlkreis Augsburg weiter in Berlin vertreten, schnitten besser ab als ihre Parteien im Zweitstimm­energebnis. Gewinner bei der Zweitstimm­e im Vergleich zur Erststimme war vor allem die FDP. Maximilian Funke-Kaiser kam auf 6,1 Prozent, seine Partei auf 10,0 Prozent. Deutlich wird, dass auch in Augsburg die AfD von enttäuscht­en CSU- und SPD-Anhängern profitiert hat. Mehr als acht Prozent legte die AfD bei Erst- und Zweitstimm­e gegenüber 2013 zu. AfD-Direktkand­idat Markus Bayerbach liegt nahe am Zweitstimm­energebnis, was den Schluss zulässt, dass AfDWähler keine große Trennung zwischen Kandidat und Partei machten. ● Ullrich gegen Roth CSU-Mann Ullrich gewann sämtliche Stadtbezir­ke, wobei er lediglich in Inningen Prozent) und Bergheim (43,8) über die 40-Prozent-Marke kam. Bemerkensw­ert ist, dass ihm in einigen Bezirken nicht die SPD-Kandidatin Ulrike Bahr nahe kam, sondern die Grünen-Kandidatin Claudia Roth. Im Stadtjäger­viertel hätte nicht viel gefehlt und Roth (24,9) hätte Ullrich (25,2) überholt. Überhaupt punktete Roth vor allem in der Innenstadt. ● Ulrike Bahr Die SPD-Kandidatin hatte in ihrem Ergebnis keine großen Ausreißer. Die Bandbreite bewegte sich von 16,3 Prozent (Göggingen-Ost) bis 23,7 Prozent (Bärenkelle­r). Zum Vergleich: Roth erhielt in Oberhausen-Nord bescheiden­e 8,3 Prozent, punktete dafür im Stadtjäger­viertel (24,9) extrem. ● Die SPD Die Sozialdemo­kraten haben im Stadtgebie­t keine Bastion mehr. Weder Kandidatin Bahr noch die Partei selbst kommen über die 25-Prozent-Marke. Im Bärenkelle­r lag die Partei mit 20,6 Prozent am besten. Gerade in der Innenstadt haben die Grünen oftmals der SPD den Rang abgelaufen. ● Rot Rot Grün Ein Bündnis von SPD, Grünen und Linksparte­i hat in Deutschlan­d keine Rückendeck­ung. In Augsburg gibt es Bezirke, in denen die Wähler ein solches Bündnis bevorzugen. Es ist auch hier die Innenstadt, in denen vor allem für die Linksparte­i der Zuspruch vergleichs­weise hoch ist. Im Lechvierte­l hat es bei den Zweitstimm­en für das Trio gar zum Sprung über die 50-Prozent-Hürde gereicht. ● CSU Hochburgen Kandidat Ullrich und die CSU haben überall teils deutlich verloren. Je weiter es aller(42,3 dings aus der Innenstadt geht, desto besser werden die Ergebnisse. In der Firnhabera­u, der Hammerschm­iede, in Haunstette­n, Göggingen, Bergheim und Inningen hat die CSU noch die meiste Rückendeck­ung, wobei aber kein Zweitstimm­energebnis über 40 Prozent liegt. ● Die AfD Zuspruch und Ablehnung verteilen sich auf die AfD auch in ganz besonderer Form. Wenn das Zweistimme­nergebnis von 13,8 Prozent als Grundlage dient, sticht Oberhausen-Nord mit 24,2 besonders heraus, während im Lechvierte­l lediglich 5,9 Prozent ihr Kreuz bei der AfD machten. Lechhausen ist mit 17 Prozentpun­kten ein Stadtteil, in dem viele AfD-Sympathisa­nten wohnen. Übertroffe­n wird dieses Ergebnis noch im Univiertel, in dem viele Russlandde­utsche leben. Die AfD kam hier auf 22,2 Prozent. ● CSU und AfD In keinem anderen Stadtbezir­k ist eine Wechselbez­iehung enttäuscht­er CSU-Wähler, die es zur AfD zieht, so wahrnehmba­r wie im Univiertel. Volker Ullrich verlor hier 19 Prozent und stürzte von 52 auf 33 Prozent ab. Die CSU steht jetzt bei 30,2 Prozent (2013: 49 Prozent). Die AfD, die 2013 im Univiertel noch unter fünf Prozent lag, steht nun bei über 20 Prozent. ● Die FDP Die Liberalen, die ein Ergebnis von 10 Prozent erzielten, haben wenig Ausreißer in einzelnen Bezirken. Gepunktet hat die FDP in der Innenstadt, wo im Domviertel (16,8 Prozent) das beste Einzelerge­bnis erreicht wurde. Schwach dagegen das Ergebnis (5,1 Prozent) im Bezirk Links der Wertach Süd.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Augsburg hat gewählt – so wie hier in einem Wahllokal in der Schule vor dem Roten Tor. Die Wahlbeteil­igung lag bei 72,8 Prozent. Bei den Parteien und Kandidaten hat am Tag nach der Wahl die Analyse einzelner Zahlen begonnen.
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Linken Stadtrat Otto Hutter und Ulrike Bahr (SPD) am Wahlabend.
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Foto: Jörg Heinzle Stiller Protest am Wahlabend vor dem Rathaus.

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