Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn sich Fußgänger und Radfahrer näher kommen

...seit Kurzem kommen wir uns in der Fußgängerz­one für ein paar Stunden näher. Klappt das? Könnte das immer so sein?

- VON MARCUS BÜRZLE

Vorher habe ich mich auf alles eingestell­t. Fragen, Kopfschütt­eln, Ärger. Die Zeilen würden sich nach vier Tagen Feldversuc­h praktisch von alleine füllen. Wer vier Tage lang mit dem Fahrrad durch die Fußgängerz­one muss einfach so viel erleben, dass man gar nicht alles erzählen kann. Und nun?

Als die Stadt bekannt gab, dass Radler probeweise von 20.30 bis 11 Uhr (statt nur bis 9 Uhr) etwa durch die Annastraße fahren dürfen, löste das natürlich Diskussion­en aus, die schwer Welt-Untergang klangen. Die alte Leier: Du böse, Du blöd, Du rücksichts­los... Entspreche­nd vorsichtig bin ich zum ersten Mal in die Annastraße gerollt. Am Sonntag gegen 10. Es war nichts los, aber trotzdem ein ungewohnte­s Gefühl. Fremd. Dann am Montag gegen 9.30 Uhr und an den nächsten Tagen auch. Schrittges­chwindigke­it. Vorsicht. Kaum Radler, einige Fußgänger und vor allem: kein Ärger. Danke, liebe Fußgänger, dass ich Euer Gast sein durfte. Und ich glaube, dass ich mich als solcher verhalten habe.

Was bedeutet das? Schrittges­chwindigke­it, kein Slalomfahr­en und im Zweifel die Fußgänger zuerst durchlasse­n. Klingt vielleicht ein wenig brav, aber so klappt das Miteinande­r. Und so spricht auch absolut nichts dagegen, dass Radfahrer in der Fußgängerz­one das gleiche Recht haben wie der Lieferverk­ehr. Wenn tonnenschw­ere Lastwagen am Vormittag bis 11 in die Annastraße dürfen, ist es nicht einzusehen, warum man Radfahrer aussperren sollte. Sie lärVorbeha­lte men nicht, sie stinken nicht und benehmen sich – hoffe ich – alle ordentlich. Mir ist klar, dass das nicht auf jeden zutrifft. Ich bin auch überzeugt, dass diese Zeitgenoss­en leider auch bisher schon zu schnell und rücksichts­los in der Annastraße unterwegs waren und sich auch nicht darum geschert haben, ob das erlaubt war oder nicht. Sie ruinieren den Ruf der anderen Radler und schüren und Ärger gegenüber den anderen Radlern. Leute, benehmt Euch! Das ist übrigens auch sein Satz, den die Stadt ausspricht. Mit erhobener Stimme und Verwarnung­sgeld oder aber auch in einer etwas anderen Tonlage. Zur Idee der „Fahrradsta­dt 2020“gehört nämlich auch der Bereich „Kommunikat­ion“. Dazu zählt, dass für Miteinande­r, Rücksicht und Verständni­s geworben wird. In Worten tut das die Stadt. Von Aufklärung­saktionen oder -Kampagnen war bislang allerdings wenig zu sehen und zu spüren. Das ist überfällig, nicht nur in der Fußgängerz­one.

Andere Städte gehen dort übrigens noch weiter. Offenbach hat die Fußgängerz­one den ganzen Tag über für Radfahrer freigegebe­n – testweise. Nach einem Jahr zeigt sich die Stadt zufrieden. „Unauffälli­g“lautete eine erste Bilanz. Eine ausführlic­he Studie soll folgen. Regensburg hat die Fußgängerz­one geöffnet – begleitet von einer großen Kampagne (Respekt bewegt). Ist das etwas für Augsburg?

In Teilen der Fußgängerz­one ist das schon lange üblich, etwa in der Bürgermeis­ter-Fischer-Straße. Sie ist aber breit. Wie wäre das in der Annastraße? Ich bin noch leicht skeptisch bis unschlüssi­g. Als Radler wollte ich dort bei viel Betrieb etwa am Samstag gar nicht fahren; an einem ruhigen Regentag vielleicht schon. Als Fußgänger möchte ich weiter zwanglos schlendern können. Es könnte klappen, wenn die Rücksicht ihren festen Platz im Verkehr erhält und sich die Radler wie Gäste benehmen. Schau mer mal, wie der 11-Uhr-Test läuft.

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