Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn sich Fußgänger und Radfahrer näher kommen
...seit Kurzem kommen wir uns in der Fußgängerzone für ein paar Stunden näher. Klappt das? Könnte das immer so sein?
Vorher habe ich mich auf alles eingestellt. Fragen, Kopfschütteln, Ärger. Die Zeilen würden sich nach vier Tagen Feldversuch praktisch von alleine füllen. Wer vier Tage lang mit dem Fahrrad durch die Fußgängerzone muss einfach so viel erleben, dass man gar nicht alles erzählen kann. Und nun?
Als die Stadt bekannt gab, dass Radler probeweise von 20.30 bis 11 Uhr (statt nur bis 9 Uhr) etwa durch die Annastraße fahren dürfen, löste das natürlich Diskussionen aus, die schwer Welt-Untergang klangen. Die alte Leier: Du böse, Du blöd, Du rücksichtslos... Entsprechend vorsichtig bin ich zum ersten Mal in die Annastraße gerollt. Am Sonntag gegen 10. Es war nichts los, aber trotzdem ein ungewohntes Gefühl. Fremd. Dann am Montag gegen 9.30 Uhr und an den nächsten Tagen auch. Schrittgeschwindigkeit. Vorsicht. Kaum Radler, einige Fußgänger und vor allem: kein Ärger. Danke, liebe Fußgänger, dass ich Euer Gast sein durfte. Und ich glaube, dass ich mich als solcher verhalten habe.
Was bedeutet das? Schrittgeschwindigkeit, kein Slalomfahren und im Zweifel die Fußgänger zuerst durchlassen. Klingt vielleicht ein wenig brav, aber so klappt das Miteinander. Und so spricht auch absolut nichts dagegen, dass Radfahrer in der Fußgängerzone das gleiche Recht haben wie der Lieferverkehr. Wenn tonnenschwere Lastwagen am Vormittag bis 11 in die Annastraße dürfen, ist es nicht einzusehen, warum man Radfahrer aussperren sollte. Sie lärVorbehalte men nicht, sie stinken nicht und benehmen sich – hoffe ich – alle ordentlich. Mir ist klar, dass das nicht auf jeden zutrifft. Ich bin auch überzeugt, dass diese Zeitgenossen leider auch bisher schon zu schnell und rücksichtslos in der Annastraße unterwegs waren und sich auch nicht darum geschert haben, ob das erlaubt war oder nicht. Sie ruinieren den Ruf der anderen Radler und schüren und Ärger gegenüber den anderen Radlern. Leute, benehmt Euch! Das ist übrigens auch sein Satz, den die Stadt ausspricht. Mit erhobener Stimme und Verwarnungsgeld oder aber auch in einer etwas anderen Tonlage. Zur Idee der „Fahrradstadt 2020“gehört nämlich auch der Bereich „Kommunikation“. Dazu zählt, dass für Miteinander, Rücksicht und Verständnis geworben wird. In Worten tut das die Stadt. Von Aufklärungsaktionen oder -Kampagnen war bislang allerdings wenig zu sehen und zu spüren. Das ist überfällig, nicht nur in der Fußgängerzone.
Andere Städte gehen dort übrigens noch weiter. Offenbach hat die Fußgängerzone den ganzen Tag über für Radfahrer freigegeben – testweise. Nach einem Jahr zeigt sich die Stadt zufrieden. „Unauffällig“lautete eine erste Bilanz. Eine ausführliche Studie soll folgen. Regensburg hat die Fußgängerzone geöffnet – begleitet von einer großen Kampagne (Respekt bewegt). Ist das etwas für Augsburg?
In Teilen der Fußgängerzone ist das schon lange üblich, etwa in der Bürgermeister-Fischer-Straße. Sie ist aber breit. Wie wäre das in der Annastraße? Ich bin noch leicht skeptisch bis unschlüssig. Als Radler wollte ich dort bei viel Betrieb etwa am Samstag gar nicht fahren; an einem ruhigen Regentag vielleicht schon. Als Fußgänger möchte ich weiter zwanglos schlendern können. Es könnte klappen, wenn die Rücksicht ihren festen Platz im Verkehr erhält und sich die Radler wie Gäste benehmen. Schau mer mal, wie der 11-Uhr-Test läuft.