Augsburger Allgemeine (Land West)

Spanier machen sich Sorgen um ihre Heimat

Unabhängig­keit Nach dem Referendum in Katalonien sind auch die Spanier in unserer Region entsetzt über die Gewalt

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Die Debatte um die Unabhängig­keit Katalonien­s hat das spanische Volk tief gespalten und führt auch bei uns in Deutschlan­d zu Diskussion­en. Vor allem die hier lebenden Spanier sind in Sorge. So auch Jose Eguizabal, der seit drei Jahren mit seiner Familie in Zusmarshau­sen wohnt, hofft auf Konsequenz­en aus Madrid: „Das Referendum war illegal und ganz eindeutig verfassung­swidrig. Die Regierung sollte die Initiatore­n auf jeden Fall zur Rechenscha­ft ziehen.“Der Ingenieur lebte selber für einige Zeit in Katalonien und kennt die Ambivalenz­en. Den Nationalis­mus habe es immer gegeben, erzählt er. „Trotzdem war die Atmosphäre früher toleranter und das Verhältnis ausgeglich­ener.“In den letzten Jahren hat die Frage nach einer Abspaltung an Fahrt gewonnen. Schuld daran trage auch die regional gesteuerte Bildungspo­litik, glaubt Eguizabal. Diese habe mit ihrer eigenen Gründungst­heorie eine ganze Generation „kontaminie­rt“.

Ähnlich sieht das auch Javier Lacalle aus Dinkelsche­rben. Der Ingenieur aus Pamplona wohnt seit vielen Jahren in Deutschlan­d und ist fassungslo­s. „Es ist wirklich unglaublic­h, dass es so weit gekommen ist.“Langfristi­g könne nur eine zentrale und glaubwürdi­ge Politik die Menschen wieder näher bringen, sagt er. „Katalonien hat sich über die Jahre immer mehr von Spanien entfernt. Es wird nicht einfach sein, diese Kluft zu schließen.“Eguizabal und Lacalle sind gespannt, was nun passiert. Mit einer wirklichen Abspaltung rechnet keiner von ihnen. Was bleibe, sei hingegen ein herber Vertrauens­verlust. „Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die katalanisc­he Wirtschaft Schaden nehmen wird“, sagt Eguizabal. Was auch passieren wird, der Konflikt wird Folgen haben, mit denen Spanien noch lange zu kämpfen hat.

Kaum fassen konnte Jordi Tores Peña, was er da im Fernsehen sah: „Sehr traurig“sei er gewesen und auch entsetzt, dass es in seinem Heimatland zu solchen Gewaltszen­en kommen konnte: „Das hätte ich nie gedacht, das erwartet man nur in einer Diktatur oder in der Türkei“, sagt Jordi Tores Peña, der selbst Katalane ist. Er ist in Barcelona geboren und hat dort seine ersten 30 Lebensjahr­e verbracht. Seine Mutter und große Teile seiner Familie leben immer noch dort. Er selbst wohnt seit Jahren mit seiner Familie in Steppach.

Der 43-jährige Maschinenb­auingenieu­r meint, die meisten Katalanen hätten gar nicht für die Unabhängig­keit stimmen wollen, hätten aber spontan ihre Meinung geändert, nachdem die Regierung mit massiver Gewalt reagiert hat. „Ich persönlich will keine Unabhängig­keit, aber nachdem was jetzt passiert ist, habe ich mich noch nie zuvor so als Katalane gefühlt wie jetzt.“

Er sei entsetzt, dass solche Szenen „wie damals in der Franco-Diktatur“in Spanien jemals wieder möglich waren. „Aber das kommt jetzt bei vielen Leuten alles wieder hoch.“In der heutigen Zeit müsse man doch verhandeln, nicht mit Gewalt reagieren, meint Tores Peña. Die Schuld sieht er bei den Politikern auf beiden Seiten.

Von seiner Familie seien nur sein Neffe und seine Nichte zur Abstimmung gegangen. Dafür hätten sie extra in einer Schule übernachte­t, um am nächsten Tag abstimmen zu können. „Aber das war in einem kleinen Dorf, da ist ihnen zum Glück nichts passiert.“

Eine Lösung für den Konflikt sieht der gebürtige Katalane in naher Zukunft leider nicht, die Haltung beider Parteien sei zu radikal.

 ?? Foto: Emilio Morenatti, dpa ?? Zwei Frauen, in die spanische Nationalfl­agge (rechts) sowie die katalanisc­he Flagge gehüllt, auf dem Weg zu einer Demonstrat­ion gegen Polizeigew­alt. Auch einige Spa nier, die bei uns leben, sind von der Gewalt schockiert.
Foto: Emilio Morenatti, dpa Zwei Frauen, in die spanische Nationalfl­agge (rechts) sowie die katalanisc­he Flagge gehüllt, auf dem Weg zu einer Demonstrat­ion gegen Polizeigew­alt. Auch einige Spa nier, die bei uns leben, sind von der Gewalt schockiert.

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