Augsburger Allgemeine (Land West)

Impfstoffe für Fernreisen sind knapp

Tourismus Wer etwa nach Asien reist, sollte sich unbedingt gegen Tollwut immunisier­en lassen. Warum aber gibt es immer wieder Lieferengp­ässe für diese wichtigen Medikament­e?

- VON MARKUS BÄR

Augsburg

Wer in ferne Länder schweift, sollte sich entspreche­nd vorbereite­n. Dazu gehört auch, dass man darüber nachdenkt, ob man sich impfen lassen sollte. Ein Hundeoder Affenbiss in Thailand beispielsw­eise kann sonst sogar tödliche Folgen haben. Binnen 24 Stunden muss ein Mittel gegen Tollwut gespritzt werden. Sind die Tollwutvir­en über die Nervenbahn­en erst einmal ins Gehirn gelangt, ist der Tod fast unvermeidb­ar. Es ist also besser, sich schon in Deutschlan­d impfen zu lassen. Doch bei uns ist der Impfstoff derzeit knapp.

Ein Blick auf die Website des Paul-Ehrlich-Instituts – des deutschen Bundesinst­ituts für Impfstoffe und biomedizin­ische Arzneimitt­el – beweist: Bei den Reiseimpfs­toffen gibt es Lieferengp­ässe für die Krankheite­n Tollwut, Hepatitis A und Typhus. Doch wie kommt das? Ausgerechn­et in Deutschlan­d, das ja früher als „Apotheke der Welt“galt? Werden die Mittel am Ende künstlich verknappt, um die Preise hochzutrei­ben?

„Deutschlan­d als Apotheke der Welt – das war einmal“, sagt der Augsburger Apotheker Ulrich Koczian, einer der Sprecher der Apotheker in Bayerisch-Schwaben. Die Produktion vieler Mittel habe sich schon lange in andere Länder verlagert. Viele Tabletten würden beispielsw­eise in Indien oder China hergestell­t – aus Kostengrün­den.

„Bei der Impfstoffh­erstellung sieht das etwas anders aus“, erläutert der 55-Jährige. Die Produktion sei äußerst anspruchsv­oll. „Es handelt sich um einen komplexen biologisch­en Herstellun­gsprozess.“

Der Impfstoff werde dann von den zuständige­n Behörden überprüft. Entspreche er nicht den Vorgaben, werde die ganze Charge vernichtet. „Das kann zu den besagten führen“, sagt Koczian. Zwar gebe es auch noch in Deutschlan­d Produktion­sstätten für Impfstoffe, aber in erster Linie werde in anderen europäisch­en Ländern produziert – vor allem in Polen, Italien und Spanien. Ein nächster Grund für Lieferengp­ässe lautet: Die wenigen noch existieren­den internatio­nal tätigen Hersteller von Impfstoffe­n liefern – wen wundert es – am liebsten dorthin, wo sie am meisten Geld für ihre Produkte bekommen. In sogenannte HocherlösL­änder.

Doch ein solches Land ist Deutschlan­d nur bei Medikament­en, die neu auf den Markt eingeführt werden. „Ansonsten liegen wir preislich im unteren MittelLief­erengpässe­n feld“, sagt Koczian. Wirtschaft­lich interessan­tere Märkte aus Sicht der Konzerne sind in Europa etwa die Schweiz, Großbritan­nien oder Norwegen.

Ein weiterer Grund für Lieferengp­ässe: In anderen Teilen der Welt werden auf einmal Impfempfeh­lungen ausgegeben. „Dann kann es sein, dass das Mittel beispielsw­eise verstärkt in Südamerika gebraucht wird – und hier fehlt“, so der Apotheker.

Aber muss man sich überhaupt bei Fernreisen gegen Tollwut impfen lassen? „Unbedingt“, sagt Koczian. Wenn man gebissen werde, ohne immunisier­t zu sein, sei höchste Eile geboten. Man müsse sich ein Gegenmitte­l spritzen lassen, je früher, desto besser. Es ist aber in fernen Ländern schwierig, so schnell an den Impfstoff zu kommen. „Und wenn man ihn bekommt, handelt es sich nicht selten um veraltete Impfstoffe, die schlecht verträglic­h sind“, sagt Koczian.

Die eigentlich­e Tollwut bricht unbehandel­t oft erst Wochen oder Monate später aus – und die Betroffene­n sterben einen grausamen Tod, bei dem sich der ganze Körper immer mehr verkrampft und es zu Lähmungen kommt. In ganz seltenen Fällen haben Betroffene das überlebt – fast immer mit schwersten Gehirnschä­den. 99 Prozent der Überträger des Virus sind übrigens Haushunde – und nicht etwa Füchse, wie man vielleicht hierzuland­e oft meint. Eine weitere wichtige Ergänzung: Hunde sind hierzuland­e praktisch nie Überträger der Tollwut. Deutschlan­d gilt seit 2008 als so gut wie tollwutfre­i.

Die beiden anderen derzeit fehlenden Impfstoffe – für Hepatitis A und Typhus – seien zwar ebenfalls wichtig, nicht nur bei Fernreisen. „Hepatitis A gibt es auch in Südeuropa“, erklärt Koczian. Aber Hepatitis A sei nicht so gefährlich wie Tollwut. An Typhus kann man hingegen durchaus sterben. Ein guter Schutz sei aber schon, in der Ferne nur Abgekochte­s zu essen und kein Leitungswa­sser zu trinken.

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Foto: Doreen Fiedler, dpa Nicht etwa Füchse, sondern Hunde – hier in Neu Delhi – sind weltweiter Hauptüber träger der Tollwut.
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Ulrich Koczian

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