Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie sind die Sorgenkind­er der Region

Natur Viele der bei uns lebenden Brutvögel gelten als gefährdet. Was die Gründe für ihr allmählich­es Verschwind­en sind und welche Maßnahmen zur Rettung der Bestände nötig wären

- VON PETER WIESER

Landkreis Günzburg Mit seiner rockigen Frisur und dem langen gebogenen Schnabel sieht er recht skurril aus. Nur: Im Landkreis Günzburg ist er nicht mehr daheim. Der Waldrapp war einst ein in Europa häufig vorkommend­er Brutvogel. Durch intensive Bejagung gilt er seit dem 17. Jahrhunder­t in freier Wildbahn als so gut wie ausgestorb­en. Mit verschiede­nen Schutzproj­ekten wird seit mehreren Jahren versucht, ihn wieder anzusiedel­n.

Das Schicksal des Waldrapps mag sicherlich ein extremes Beispiel sein. Tatsache jedoch ist: Viele der bei uns lebenden Brutvögel gelten inzwischen ebenfalls als gefährdet. Laut dem Landesbund für Vogelschut­z in Bayern (LBV) habe sich beispielsw­eise der Rebhuhnbes­tand in Deutschlan­d in den vergangene­n zehn Jahren halbiert. In Bayern gebe es wohl nur noch zwischen 2000 und 4000 Brutpaare heißt es in einer Pressemitt­eilung. Von September bis Oktober ist die Jagd auf das Rebhuhn zwar erlaubt, doch in der Region ist das schon seit Jahrzehnte­n nicht mehr der Fall.

Erich Frey, Vorsitzend­er des Jägerverei­ns Krumbach, bringt es auf den Punkt: Was wolle man denn jagen, wenn nichts mehr da sei? Vor Jahren schon hätten die Jäger im Kreis bemerkt, dass die Bestände immer kleiner würden, und frühzeitig aufgehört, diese zu bejagen. „Wir freuen uns über jedes Rebhuhn“, fügt Manfred Borchers, Vorsitzend­er des Jagdschutz- und Jägerverei­ns Günzburg, hinzu.

Die Gründe, weshalb das Rebhuhn immer weiter aus seinem Lebensraum verdrängt wurde, sind der massiv zugenommen­e Maisanbau, intensiv genutzte Wiesen und damit einhergehe­nd eine schwindend­e Artenvielf­alt. „Was wir brauchen, sind artenreich­e, nicht gedüngte und feuchte Blumenwies­en“, betont Ottmar Frimmel von der unteren Naturschut­zbehörde am Landratsam­t. Das Gegenteil ist der Fall. Mehr Pflanzenvi­elfalt bedeutet: Mehr Insekten und damit mehr Nahrung und Lebensraum für die Vogelwelt. Denn die steht in der Nahrungspy­ramide nun mal ganz weit oben. Zunehmend wird Land versiegelt und Feldwege asphaltier­t. Wo können Rebhühner sonst noch, anstatt an den immer weniger vorhandene­n sandigen Plätzen, ihre für sie wichtigen Staubbäder für die Gefiederpf­lege nehmen? Ähnlich ergeht es der Feldlerche, die ebenfalls immer seltener geworden ist und mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat. Abhilfe schaffen bei ihr zuminander­e: dest sogenannte Lerchenfen­ster. Dabei handelt es sich um bewusst angelegte Fehlstelle­n in landwirtsc­haftlichen Nutzfläche­n, beispielsw­eise in Getreidefe­ldern, auf denen die Vögel nicht nur Lande- und Brutplätze sondern auch genügend Futter vorfinden. Eigentlich ein geringer Aufwand, mit kaum spürbarem Ernteverlu­st.

Was sagen eigentlich Brachvogel und Bekassine dazu? Beide, vor allem Letztere, auch Meckervoge­l genannt, haben allen Grund zum Meckern: Mit der Trockenleg­ung von Mooren und Feuchtwies­en schwindet auch deren Lebensraum zusehends. Auf zugepflast­erten Parkplätze­n oder in großflächi­g angelegten Monokultur­en tun sie sich schwer, Nahrung zu finden. Schuld trägt jedoch nicht allein die Landwirtsc­haft. Ein ganzes Ursachenpa­ket trägt zum grassieren­den Schwund der Lebensräum­e dieser Arten bei. Reagieren müsse darauf die Politik. Intelligen­te Förderprog­ramme könnten noch mehr dafür sorgen, dass sich die geforderte Blumenwies­e neben der dafür etwas kleiner gewordenen landwirtsc­haftlichen Nutzfläche genauso lohnt. Mit Grünstreif­en als Abstand zu Wegen und Gewässern, die zudem Rückzugsmö­glichkeite­n bieten, hat man schon viel gewonnen, ist sich Frimmel sicher.

Aber auch jeder Einzelne steht mit in der Verantwort­ung, speziell beim Freizeitve­rhalten. Querfeldei­n durch Wald und Wiese zu joggen oder zu radeln, sollte tunlichst vermieden werden, sagt Frimmel. Was im Frühjahr, gerade während der Aufzuchtze­it, wichtig ist, gilt auch im Herbst: Bleibt man auf den Wegen, wird kein Tier gestört – denn darauf haben sie sich eingestell­t. Dass Hunde an der Leine geführt werden sollten, verstehe sich ebenfalls.

Nicht heulen, sondern etwas tun, sei die Devise. Immerhin seien in der Region in der Vergangenh­eit einige Feuchtfläc­hen und Biotope entstanden. „Viele Arten sind zwar gefährdet, aber sie sind noch nicht weg“, sagt Frimmel. Damit das auch in Zukunft so bleibt, müsse man weiterhin am Ball bleiben.

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Fotos: Peter Wieser, Josef Limberger, dpa, Stiftung Kulturland­schaft Günztal Ihr Bestand ist in der Region stark gefährdet. Der Waldrapp (Fotos von links oben im Uhrzeigers­inn) hat sich bereits ganz verab schiedet und auch das Rebhuhn ist kaum noch anzutreffe­n. Für Bekassine und Feldlärche wird der Lebensraum immer knap per.
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