Augsburger Allgemeine (Land West)
SPD triumphiert in Niedersachsen
Landtagswahl Ministerpräsident Stephan Weil bekommt die meisten Stimmen. Für eine Fortsetzung von Rot-Grün reicht es aber wohl nicht. Kommt jetzt eine Große Koalition?
Augsburg/Hannover Noch vor einigen Wochen schien die Karriere des Stephan Weil einem trostlosen Ende entgegenzugehen. Die Umfragen zu den vorgezogenen Neuwahlen in Niedersachsen verhießen nichts Gutes für den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten. Die Sache schien gelaufen – für seinen CDUHerausforderer Bernd Althusmann.
Und nun gibt ausgerechnet dieser Stephan Weil seiner gebeutelten Partei wieder Hoffnung. Die SPD hat bei der gestrigen Landtagswahl deutlich zugelegt und ist erstmals seit 1998 – damals noch mit dem späteren Kanzler Gerhard Schröder an der Spitze – wieder stärkste politische Kraft in Hannover.
Die kommenden Wochen dürften für den Sieger trotzdem anstrengend werden. Weil die Grünen stark verloren haben, muss sich der Regierungschef höchstwahrscheinlich nach neuen Partnern umschauen. Nach dem vorläufigen Endergebnis scheitert eine Fortsetzung von RotGrün denkbar knapp. Die endgültige Sitzverteilung stand um 23.30 Uhr noch nicht fest.
„Das ist ein großer Abend“, sagte Weil vor begeisterten Anhängern. Er riet aber auch dazu, den „Ball noch eine Sekunde flach zu halten“. Denn das Wahlergebnis beinhaltet weitere Unbekannten. So hätte rein rechnerisch auch eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen eine Mehrheit – ohne Wahlsieger Weil. Im Wahlkampf hatte sich die Union allerdings skeptisch dazu geäußert. Ein ebenfalls mögliches Ampel-Bündnis mit SPD und Grünen schließen wiederum die Liberalen aus. Regiert in Hannover also bald eine Große Koalition?
Die CDU muss erst einmal eines der schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte verkraften. Spitzenkandidat Althusmann verspielte seinen großen Vorsprung in den Umfragen noch. Sein Absturz begann mit dem Desaster der Union bei der Bundestagswahl. Das war nicht gerade Rückenwind für ihn. Aus dem gestri- gen Wahlergebnis „werden sich nun Verhandlungen für Niedersachsen ergeben“, sagte der Verlierer am Abend und sprach von „politischer Verantwortung“für das Land. Probiert er es doch mit Jamaika? Oder war das schon die Anmoderation von Koalitionsgesprächen mit der SPD? Bei den Sozialdemokraten dominierte gestern die Erleichterung. Parteichef Martin Schulz, der nach seiner Niederlage als Kanzlerkandidat angeschlagen ist, feierte Weil mit geradezu pathetischen Worten: „Was du in den letzten Wochen geleistet hast, ist einzigartig in der Wahlkampfgeschichte der Bundesrepublik Deutschland.“Es ist der erste Wahlsieg, seit Schulz die SPDFührung übernommen hat.
Bei den großen Gewinnern der Bundestagswahl vor drei Wochen herrschte gestern eher verhaltene Freude. Die AfD schaffte zwar klar den Sprung über die Fünf-ProzentHürde, blieb aber hinter ihren Ergebnissen im Bund und in anderen Ländern zurück. Und die FDP musste im Vergleich zu ihrem Spitzenergebnis bei der letzten Landtagswahl Verluste verkraften.
»Leitartikel Walter Roller erklärt das Ergebnis der Niedersachsen-Wahl »Politik Die überraschende Erfolgsstory des Stephan Weil und die Folgen
„Das ist einzigartig in der Wahlkampfgeschichte der Bundesrepublik.“SPD Chef Martin Schulz über die Aufholjagd