Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum Kinder dick werden
Übergewicht Eine neue Studie warnt vor zunehmender Fettleibigkeit des Nachwuchses. Experten erklären, woran das liegt und welche einfachen Mittel schon wirken würden
Warum werden immer mehr Kinder dick? Ernährungsexperten raten zu mehr Bewegung und frisch gekochtem Essen. Was sonst noch helfen könnte.
Landkreis Augsburg
Weniger süße Limonade, dafür mehr Selbstgekochtes und Sport – all das würde gegen das Übergewicht bei Kindern helfen. Darin sind sich Ernährungsexperten aus der Region einig, wenn es um die Frage geht, was gegen Fettleibigkeit getan werden kann. Innerhalb von 40 Jahren hat sich die Zahl übergewichtiger Kinder auf der Welt von elf Millionen auf 124 Millionen erhöht, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Imperial College London kürzlich meldeten.
Alexandra Hiebel vom Amt für Landwirtschaft und Ernährung mit Sitz in Stadtbergen relativiert die Ergebnisse. In den letzten fünf Jahren habe es kaum mehr einen Anstieg gegeben, denn der Lebenswan- del unserer modernen Welt verändere sich nicht groß: Wenig Sport und langes Sitzen vor dem Computer oder am Handy gehören dazu. Zu der fehlenden Bewegung komme unausgewogenes und fettiges Essen, wie auch die Diätassistentin Tinatin Deisenhofer aus Gersthofen bestätigt. Kurzum: Die Energiezufuhr sei bei zu wenig Verbrauch oftmals viel zu hoch.
„Auch übervorsichtige Eltern tragen ihren Teil dazu bei“, sagt Alexandra Hiebel. Sie ließen ihre Kinder zum Spielen nicht nach draußen, machten sich Sorgen wegen des vielen Verkehrs. Kritisch sieht die Expertin die Entwicklung, dass Eltern ihren Nachwuchs mit dem Auto zur Schule fahren. Dabei bleibe die so wichtige Bewegung auf dem Rad oder zu Fuß außen vor. Andere Eltern wiederum kochen nach der Erfahrung der Ernährungsexpertin falsch oder gar nicht.
Alexandra Hiebel kümmert sich in Kindergärten und an Grundschulen darum, dass Kinder regelmäßige und ausgewogene Mahlzeiten bekommen. Diese sollten „abwechslungsreich und geschmackvoll“sein. Dadurch sollen sich die Kleinen auch an Esskultur gewöhnen: Das Beisammensitzen und die Regeln am Tisch spielen eine Rolle.
Bekocht werden Kinder beispielsweise im Ferienprogramm des Jugendkulturhauses Stereoton in Neusäß. Koch Eddy Fick ist wichtig, dass nichts „aus dem Päckle“kommt, sondern alles frisch ist: So macht er die Spätzle selbst und schält die Kartoffeln für den Salat. Die Kinder wollen Ketchup? Damit der Koch die Zuckerzufuhr kontrollieren kann, ist sogar dieses selbst gemacht. Ganz auf Süßes müssen seine jungen Gäste jedoch nicht verzichten, denn „mit einem Verbot funktioniert es nicht“, wie Eddy Fick weiß. Deshalb zeigt er den Kindern, dass eine Nachspeise in Maßen kein Problem ist.
Tinatin Deisenhofer kennt Fälle, in denen Kinder oder Jugendliche zu Reha-Aufenthalten gehen, um Übergewicht zu bekämpfen. Doch ziehen danach Eltern und Kinder nicht auch zu Hause an einem Strang, ist das alles nutzlos. „Es geht um langfristiges Handeln, nicht um kurzfristige Trenddiäten“, sagt die Ernährungsberaterin.
Alexandra Hiebel weiß, dass sich schlechte Angewohnheiten, die bereits in der Kindheit zu Übergewicht führen, nur schwer überwinden lassen. Gerade, wenn die Fettleibigkeit über die Pubertät hinaus bleibt. So ergibt sich eine starke Belastung des Körpers über einen zu langen Zeitraum. Werden die Kinder dann noch wegen ihres Körperumfangs gehänselt, entstehen auch psychische Probleme. Physische Folgen seien Diabetes, Bluthochdruck und Probleme mit Knochen und Gelenken, die immer früher auftreten, beobachtet Alexandra Hiebel.