Augsburger Allgemeine (Land West)

So verlor die CDU gegen Weil

Wahlanalys­en zeigen eine klare Entwicklun­g

- VON MICHAEL POHL

Augsburg Wie gelang es der SPD, ausgerechn­et in einer ihrer größten Krisen zum ersten Mal seit 1998 stärkste Partei in Niedersach­sen zu werden? Eindeutig scheint, beim Blick auf das Wahlergebn­is und die vielen Umfragen der Monate zuvor, dass die niedersäch­sischen Sozialdemo­kraten auch unter ihrem populären Ministerpr­äsidenten Stephan Weil bis vor drei Wochen stark unter dem negativen Bundestren­d während der Großen Koalition gelitten hatten. Doch die Bundestags­wahl wirkte offenbar wie das sprichwört­liche reinigende Gewitter: Das harte Ergebnis nahm allen Ballast von der Landes-SPD weg.

Stephan Weil konnte seit dem 28. September in einem kurzen, aber schlagkräf­tigen Wahlkampf voll seinen Amtsbonus ausspielen. Mit 50 zu 35 Prozent überzeugte er bei der Frage, wen die Wähler, wenn sie denn könnten, direkt zum Ministerpr­äsidenten wählen würden. Damit lag er am Wahltag uneinholba­r vor seinem CDU-Herausford­erer Bernd Althusmann. Im August war der Vorsprung noch deutlich geringer.

Jetzt sagte die überwältig­ende Mehrheit von 67 Prozent, Weil sei ein „guter Ministerpr­äsident“. Im August waren „nur“53 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden. Bei den Persönlich­keitswerte­n Bürgernähe, Sympathie und Glaubwürdi­gkeit kommt Weil mit gut 50 Prozent auf teils doppelt so hohe Werte wie der CDU-Spitzenkan­didat Althusmann.

Weils Popularitä­t half seiner Partei über einige Schwächen hinweg: Bei der Bildungspo­litik stürzte die SPD um ganze elf auf 34 Prozent in der Kompetenzb­eurteilung. Obwohl die CDU ihren einst populären Ex-Kultusmini­ster Althusmann zum Spitzenkan­didaten machte, wurde ihr in der Bildungspo­litik noch weniger zugetraut. So konnte die Union ausgerechn­et bei dem für die Wähler wichtigste­n Thema der Wahl nicht punkten.

Zwar verlor die SPD auch bei den Themenfeld­ern soziale Gerechtigk­eit und Familienpo­litik. Aber vermutlich auch dank Weils behutsamen Kurs in der VW-Dieselaffä­re legte die SPD bei den wichtigen Kompetenzf­eldern Wirtschaft und Arbeitsplä­tze zu. Hier konnte die SPD gerade in ihrer Kernwähler­gruppe Arbeiter und Angestellt­e um fünf Prozentpun­kte zulegen. Mit 42 Prozent heißt in Niedersach­sen die „Arbeiterpa­rtei“eindeutig: SPD.

Insgesamt wurde die Niedersach­senwahl in der Mitte entschiede­n. Die Flüchtling­spolitik spielte kaum eine Rolle: Laut der ZDF-Analyse der Forschungs­gruppe Wahlen sind 77 Prozent der Niedersach­sen der Meinung, ihr Land könne „die vielen Flüchtling­e verkraften“. Mit gut sechs Prozent schnitt die AfD überrasche­nd schwach ab: Die Protestpar­tei litt nicht nur unter der starken Polarisier­ung der beiden großen Parteien. Die tief zerstritte­ne Landes-AfD hatte in Niedersach­sen zudem ein schlechter­es Image als in anderen Bundesländ­ern. So konnte die AfD deutlich weniger Nichtwähle­r mobilisier­en als jeweils die SPD oder auch die Union.

 ?? Foto: dpa ?? Wahlverlie­rer Bernd Althusmann: Auch bei der Bildung nicht gepunktet.
Foto: dpa Wahlverlie­rer Bernd Althusmann: Auch bei der Bildung nicht gepunktet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany