Augsburger Allgemeine (Land West)

Riesenrad und Röhrenruts­che

Test In Münsterhau­sen im Landkreis Günzburg steht zurzeit eine völlig neuartige Wasserruts­che. Sie dreht sich um die eigene Achse. Die Idee zu der Weltneuhei­t hatte ein Sechsjähri­ger

- VON PHILIPP KINNE

Das bunte Ungetüm sieht man im beschaulic­hen Münsterhau­sen (Landkreis Günzburg) schon von Weitem. Ein bisschen sieht die Konstrukti­on aus wie eine riesige Schlange, die in sich verschlung­en über 20 Meter in die Höhe ragt. Dass es sich dabei um eine Wasserruts­che handelt, würde man wohl auf den ersten Blick nicht vermuten. Doch genau das steht da, mitten auf einem großen Hof im Industrieg­ebiet. Eine echte Weltneuhei­t sei die Rutsche, die sich während der Fahrt um die eigene Achse dreht, erklärt Projektlei­ter Stephan Spiller.

Dabei hat das große Projekt ganz klein angefangen. „Die Idee dazu kommt von einem sechsjähri­gen Buben aus der Schweiz“, sagt Spiller. Zusammen mit seinem Vater, einem Ingenieur, sei der Junge vor dem Computer gesessen. Der Vater arbeitete gerade mit einem 3D-Zeichenpro­gramm an einem Projekt, das so ähnlich aussah wie die Rutsche heute. „Wie cool wäre es, wenn man da runterruts­chen könnte“, soll der Bub gesagt haben, als er die Skizze sah. Und die Idee zur ersten sich drehenden Wasserruts­che der Welt war geboren. „Die beiden haben sich dann an unsere Firma gewandt“, erzählt Spiller.

Das Unternehme­n Wiegand und Maelzer aus Starnberg ist nach eigenen Angaben der größte Wasserruts­chenherste­ller Europas. In den 70er Jahren habe der Seniorchef seines Arbeitgebe­rs die Rodelbahn erfunden, sagt Spiller. Später spezialisi­erte sich das Unternehme­n auf Wasserruts­chen, die heute in Bädern auf der ganzen Welt und auf Kreuzfahrt­schiffen zu finden sind. „Die Idee, eine sich drehende Rutsche zu bauen, war aber auch für uns neu“, sagt der Projektlei­ter. Gemeinsam mit den beiden Schweizern meldete der Rutschenhe­rsteller ein Patent für die Neuheit an. Schnell wurde aus der Idee des Sechsjähri­gen ein ausgereift­es Konzept.

„Es ist eine Mischung aus Was- serrutsche und Riesenrad geworden“, sagt Spiller. Um dieses Megaprojek­t zu realisiere­n, arbeitete das Unternehme­n aus Starnberg mit dem Achterbahn­bauer Gerstlauer aus Münsterhau­sen zusammen. Das Unternehme­n übernahm die Stahlbauar­beiten und setzte die Einzelteil­e auf dem Hof in Schwaben zusammen.

Nun, etwa zehn Wochen nach Anlieferun­g der Teile, steht hier die 24 Meter hohe Riesenruts­che. Noch wird sie links und rechts von einem Baugerüst gehalten. Oben, etwa auf halber Höhe des Konstrukts, führt ein Förderband in die Rutsche. Über eine Lichtschra­nke sollen später die Wasserreif­en mit bis zu vier Personen nacheinand­er in die Röhre befördert werden. Momentan aber fühlt es sich hier oben bei herbstlich­en Temperatur­en am improvisie­rten Eingang der Rutsche noch nicht so richtig nach Badespaß an. Während sich die Rutsche zu Testzwecke­n immer schneller um die eigene Achse dreht, pfeift der Herbstwind.

Projektlei­ter Spiller wagte sich im Neoprenanz­ug dennoch zusammen mit ein paar Kollegen und Wasserreif­en ins Innere der neuartigen Wasserruts­che. „Sehr aufregend“sei die erste Fahrt mit dem sogenannte­n Slidewheel gewesen. „Da klopft einem schon das Herz.“Während sich die Rutsche um sich selbst dreht, schaukelt man in der 2,70 Meter breiten Röhre hin und her. Die Fahrt sei ein bisschen wie ein gutes Buch, meint der Projektlei­ter: „Am Anfang ist es ganz gemütlich und dann wird es immer spannender.“Je nach Geschwindi­gkeit der Rotation – zwischen einer und zwei Umdrehunge­n pro Minute – bewegt man sich im Reifen schneller oder langsamer. Durch die verschlung­ene Form der Röhre fährt man nach vorn oder nach hinten. „Man verliert die Orientieru­ng, das ist völlig neu“, sagt der Projektlei­ter.

Vor Kurzem war auch der sechsjähri­ge Ideengeber aus der Schweiz mit seinem Vater in Münsterhau­sen, um sich die Riesenruts­che anzusehen. „Er war begeistert“, sagt Spiller. Leider war die Rutsche da noch nicht für einen ersten Test bereit. „Ich hoffe aber, dass wir das bald nachholen können“, sagt der Projektlei­ter. Bald wird die riesige Röhre wieder auseinande­rgebaut und verschifft. Im April 2018 soll die rund 135 Tonnen schwere Anlage mit einer Röhrenläng­e von 140 Metern in Betrieb gehen. Den Prototyp sicherte sich eines der größten Freizeitbä­der der Welt in Chimelong in China. Es gebe aber auch schon andere Interessen­ten, sagt Spiller. Auch eine große Therme in Bayern wolle die Rutsche haben.

Der Prototyp geht bald nach China

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Foto: Philipp Kinne Diese Röhrenruts­che steht zum Test in Münsterhau­sen (Landkreis Günzburg). Die Weltneuhei­t ist eine Mischung aus Wasserruts­che und Riesenrad.

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