Augsburger Allgemeine (Land West)
Riesenrad und Röhrenrutsche
Test In Münsterhausen im Landkreis Günzburg steht zurzeit eine völlig neuartige Wasserrutsche. Sie dreht sich um die eigene Achse. Die Idee zu der Weltneuheit hatte ein Sechsjähriger
Das bunte Ungetüm sieht man im beschaulichen Münsterhausen (Landkreis Günzburg) schon von Weitem. Ein bisschen sieht die Konstruktion aus wie eine riesige Schlange, die in sich verschlungen über 20 Meter in die Höhe ragt. Dass es sich dabei um eine Wasserrutsche handelt, würde man wohl auf den ersten Blick nicht vermuten. Doch genau das steht da, mitten auf einem großen Hof im Industriegebiet. Eine echte Weltneuheit sei die Rutsche, die sich während der Fahrt um die eigene Achse dreht, erklärt Projektleiter Stephan Spiller.
Dabei hat das große Projekt ganz klein angefangen. „Die Idee dazu kommt von einem sechsjährigen Buben aus der Schweiz“, sagt Spiller. Zusammen mit seinem Vater, einem Ingenieur, sei der Junge vor dem Computer gesessen. Der Vater arbeitete gerade mit einem 3D-Zeichenprogramm an einem Projekt, das so ähnlich aussah wie die Rutsche heute. „Wie cool wäre es, wenn man da runterrutschen könnte“, soll der Bub gesagt haben, als er die Skizze sah. Und die Idee zur ersten sich drehenden Wasserrutsche der Welt war geboren. „Die beiden haben sich dann an unsere Firma gewandt“, erzählt Spiller.
Das Unternehmen Wiegand und Maelzer aus Starnberg ist nach eigenen Angaben der größte Wasserrutschenhersteller Europas. In den 70er Jahren habe der Seniorchef seines Arbeitgebers die Rodelbahn erfunden, sagt Spiller. Später spezialisierte sich das Unternehmen auf Wasserrutschen, die heute in Bädern auf der ganzen Welt und auf Kreuzfahrtschiffen zu finden sind. „Die Idee, eine sich drehende Rutsche zu bauen, war aber auch für uns neu“, sagt der Projektleiter. Gemeinsam mit den beiden Schweizern meldete der Rutschenhersteller ein Patent für die Neuheit an. Schnell wurde aus der Idee des Sechsjährigen ein ausgereiftes Konzept.
„Es ist eine Mischung aus Was- serrutsche und Riesenrad geworden“, sagt Spiller. Um dieses Megaprojekt zu realisieren, arbeitete das Unternehmen aus Starnberg mit dem Achterbahnbauer Gerstlauer aus Münsterhausen zusammen. Das Unternehmen übernahm die Stahlbauarbeiten und setzte die Einzelteile auf dem Hof in Schwaben zusammen.
Nun, etwa zehn Wochen nach Anlieferung der Teile, steht hier die 24 Meter hohe Riesenrutsche. Noch wird sie links und rechts von einem Baugerüst gehalten. Oben, etwa auf halber Höhe des Konstrukts, führt ein Förderband in die Rutsche. Über eine Lichtschranke sollen später die Wasserreifen mit bis zu vier Personen nacheinander in die Röhre befördert werden. Momentan aber fühlt es sich hier oben bei herbstlichen Temperaturen am improvisierten Eingang der Rutsche noch nicht so richtig nach Badespaß an. Während sich die Rutsche zu Testzwecken immer schneller um die eigene Achse dreht, pfeift der Herbstwind.
Projektleiter Spiller wagte sich im Neoprenanzug dennoch zusammen mit ein paar Kollegen und Wasserreifen ins Innere der neuartigen Wasserrutsche. „Sehr aufregend“sei die erste Fahrt mit dem sogenannten Slidewheel gewesen. „Da klopft einem schon das Herz.“Während sich die Rutsche um sich selbst dreht, schaukelt man in der 2,70 Meter breiten Röhre hin und her. Die Fahrt sei ein bisschen wie ein gutes Buch, meint der Projektleiter: „Am Anfang ist es ganz gemütlich und dann wird es immer spannender.“Je nach Geschwindigkeit der Rotation – zwischen einer und zwei Umdrehungen pro Minute – bewegt man sich im Reifen schneller oder langsamer. Durch die verschlungene Form der Röhre fährt man nach vorn oder nach hinten. „Man verliert die Orientierung, das ist völlig neu“, sagt der Projektleiter.
Vor Kurzem war auch der sechsjährige Ideengeber aus der Schweiz mit seinem Vater in Münsterhausen, um sich die Riesenrutsche anzusehen. „Er war begeistert“, sagt Spiller. Leider war die Rutsche da noch nicht für einen ersten Test bereit. „Ich hoffe aber, dass wir das bald nachholen können“, sagt der Projektleiter. Bald wird die riesige Röhre wieder auseinandergebaut und verschifft. Im April 2018 soll die rund 135 Tonnen schwere Anlage mit einer Röhrenlänge von 140 Metern in Betrieb gehen. Den Prototyp sicherte sich eines der größten Freizeitbäder der Welt in Chimelong in China. Es gebe aber auch schon andere Interessenten, sagt Spiller. Auch eine große Therme in Bayern wolle die Rutsche haben.
Der Prototyp geht bald nach China