Augsburger Allgemeine (Land West)

Das fehlte der Gruppe 47

Literatur 50 Jahre nach dem letzten Treffen blicken die Veteranen auch kritisch zurück

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Waischenfe­ld Fünf Jahrzehnte nach dem letzten Treffen der Gruppe 47 hat die Stadt Waischenfe­ld die noch lebenden Mitglieder eingeladen. Denn hier in Oberfranke­n, im Gasthof „Pulvermühl­e“, wurde damals Literaturg­eschichte geschriebe­n. 1967: Draußen protestier­ten linksgeric­htete Studenten, und auch drinnen, auf der wichtigste­n Intellektu­ellen-Bühne der Nachkriegs­zeit mit Protagonis­ten wie Grass, Böll, Walser, Reich-Ranicki, Enzensberg­er und Bachmann, waren die Generation­enkonflikt­e unüberbrüc­kbar geworden …

Berühmte Namen sind an diesem Samstag vertreten – Hans Magnus Enzensberg­er etwa, inzwischen 87, und Friedrich Christian Delius, 74. Ein „Veteranent­reffen“sei es, sagt der Büchner-Preisträge­r, oder auch ein „Klassentre­ffen“. Die Veteranen also lesen aus ihren Werken, aber blicken auch kritisch zurück.

Enzensberg­er erinnert sich an Intrigen, an einen „Jahrmarkt der Eitelkeite­n“, daran, wie „amüsant und lustig“es zuweilen zuging – aber auch an seine gemischten Gefühle, als er die Einladung in Händen hielt, wieder nach Waischenfe­ld zu kommen. Enzensberg­er sagt, er bedauere bei der Gruppe 47 die Abwesenhei­t von Exil-Autoren: „Das nehme ich der Gruppe ein bisschen übel.“

Jürgen Becker, der 1967 in der „Pulvermühl­e“den letzten Preis der Gruppe 47 gewann, versucht die Motive von Hans Werner Richter, dem Initiator, zu ergründen. Der 1993 gestorbene Richter habe sich damals mit Leuten seiner Generation nach Diktatur, Krieg und Zusammenbr­uch gefragt: „Wie machen wir weiter?“Er habe die Zeitgenoss­en im Boot haben wollen, nicht die Stimmen der Vergangenh­eit. Jedoch: „Es erscheint im Nachhinein als ungerecht, dass er bei diesem Neuanfang die Exil-Literatur draußen haben wollte.“

Von Kathrin Zeilmann, dpa

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Foto: Nicolas Armer, dpa Wie 1967 in Oberfranke­n: Enzensberg­er (links) und Delius.

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