Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie wir altern

Forschung Manche Krankheite­n treten heute seltener auf, andere häufiger als früher. Multimorbi­dität nimmt zu

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Hannover Wir werden immer älter. Aber gewinnen wir gesunde Lebensjahr­e oder verbringen wir die zusätzlich­e Lebenszeit in krankem Zustand? Dieser Frage gehen Forscher der Medizinisc­hen Hochschule Hannover (MHH) in einem seit 2013 laufenden Projekt nach, für das sie Daten von drei Millionen Menschen aller Altersgrup­pen über zehn Jahre vergleiche­n. Nun gibt es erste Ergebnisse: Herzinfark­t, Schlaganfa­ll und Lungenkreb­s treten seltener und später im Laufe des Lebens auf als früher. Diabetes mellitus Typ 2 („Altersdiab­etes“) kommt hingegen immer häufiger vor, insbesonde­re bei den unter 40-Jährigen. Auch die Multimorbi­dität ist angestiege­n – der Umstand, dass eine Person viele Erkrankung­en hat, die mit Medika- menten gut in den Griff zu bekommen sind. „Wir werden gesünder alt“, fasst Professor Siegfried Geyer zusammen, Leiter des Projektes und der Medizinisc­hen Soziologie der MHH.

Einen Herzinfark­t, Schlaganfa­ll oder Lungenkreb­s bekommen heutzutage 22 Prozent weniger Männer als noch vor zehn Jahren – und diese sind dann rund ein Jahr älter als früher, durchschni­ttlich 66 Jahre. Das Risiko, an einer dieser Krankheite­n zu sterben, ist ebenfalls um 22 Prozent gesunken. Bei Frauen verringert­e sich das ohnehin geringere Risiko, an einem der drei Leiden zu erkranken, sogar um mehr als 30 Prozent. Doch sie waren beim Auftreten der Erkran- durchschni­ttlich 76 Jahre und damit ebenso alt wie früher. Sie starben auch ebenso häufig daran. Bei Diabetes mellitus Typ 2 („Altersdiab­etes“) verhält es sich anders: Die Erkrankung hat in der Bevölkerun­g zugenommen – vor allem bei den unter 40-Jährigen. „Allerdings kann man diese Erkrankung besser behandeln als früher, sodass man mit ihr länger leben kann“, erläutert Professor Geyer. Er fand auch heraus, dass das Erkrankung­srisiko mit steigendem Bildungsst­and sinkt. „Diabetes ist ein Problem der Lebensweis­e, vor allem Übergewich­t und Bewegung sind vorrangige Probleme“, sagt Geyer.

Auch die sogenannte Multimorbi­dität nimmt in der Bevölkerun­g zu: Immer mehr Menschen haben sechs oder mehr Erkrankung­en gleichzeit­ig, die zum Teil mit Medikament­en behandelt werden müssen, mit denen sie aber gut leben können – beispielsw­eise Bluthochdr­uck. In diesem Zusammenha­ng interessie­rt nun, ob Multikung morbidität­en zwangsläuf­ig zunehmen, wenn andere Krankheite­n wie Herzinfark­t, Schlaganfa­ll und Lungenkreb­s abnehmen: „Wir möchten die Frage klären, ob es eine Verschiebu­ng von wenigen großen zu vielen kleinen Krankheite­n gibt, die später auftreten.“

„Es geht aber auch darum, wie eine Gesellscha­ft mit alten Menschen umgehen soll, um ihre Aktivität und geistige Beweglichk­eit maximal lange zu erhalten“, erläutert Geyer. „Um im Alter körperlich und seelisch gesund zu bleiben, ist sportliche sowie geistige Regsamkeit besonders wichtig.“Ressourcen gelte es zu erhalten – etwa durch regelmäßig­es Lesen sowie soziale Aktivitäte­n mit Kommunikat­ion, zum Beispiel über ein Hobby.

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