Augsburger Allgemeine (Land West)

Klassik für besondere Orte

Förderung Stipendiat­en von „Live Music Now“spielen für Menschen, die nicht ins Konzert gehen können. Jetzt leitet den Verein der Mediziner Wolfgang Tressel, der sich mit Schicksale­n auskennt

- VON IDA KÖNIG

Musik heilt, tröstet und bringt Freude – dieser Überzeugun­g war der berühmte Geiger und Stiftungsg­ründer Yehudi Menuhin, der Musik auch als gesellscha­ftlichen Auftrag verstand. In seinem Sinne organisier­t der Augsburger Verein „Live Music Now“seit mittlerwei­le 15 Jahren Konzerte für diejenigen, die nicht aus dem Haus gehen können. Während manche gesundheit­lich nicht in der Lage dazu sind, verbüßen andere eine Haftstrafe. Gespielt werden die Konzerte von Stipendiat­en des Vereins – junge Musiker, die meist am Anfang ihrer Karriere stehen. Um Spenden für die Stipendien zu sammeln, veranstalt­et „Live Music Now“am kommenden Dienstag sein jährliches Benefizkon­zert im Parktheate­r des Kurhauses Göggingen, das bereits ausverkauf­t ist.

Für Doc Wolfgang Tressel ist es das erste Konzert als Vorsitzend­er von „Live Music Now“in Augsburg. Obwohl der 66-Jährige bereits in diversen Vereinen und Stiftungen ehrenamtli­ch tätig ist, hat er die Verantwort­ung übernommen. „Ich bin von vielen Seiten bearbeitet worden“, sagt er und lacht. Kein Wunder, schließlic­h gibt es kaum einen anderen in Augsburg, der Musik und Soziales so verknüpft wie Neben Medizin studierte er Geige und Klavier, bis zu seiner Pension leitete er die Geriatrisc­he Rehaklinik der Hessing-Stiftung. Kulturinte­ressierte kennen ihn unter anderem durch seine KabarettPr­ogramme und als Konzertmei­ster des Ärzteorche­sters.

Aus den ausgedehnt­en Reisen im Wohnmobil, mit denen er seinen Ruhestand verbringen wollte, wird nun erst einmal nichts. Stattdesse­n stehen jeden Monat Teamsitzun­gen auf dem Programm, in denen die Vereinsmit­glieder besprechen, welche Stipendiat­en für welche Konzertanf­ragen geeignet sind und was für die Auftritte organisier­t werden muss. Zusätzlich fallen zahlreiche Gespräche mit möglichen Sponsoren an, um die Stipendien finanziere­n zu können. „Wir könnten noch viel mehr Konzerte spielen, aber dafür fehlt uns das Geld“, sagt Tressel.

Konzerte, wie sie „Live Music Now“vermittelt, findet er wichtig – nicht nur für die Zuhörer, die Musik sonst ausschließ­lich aus der KonserTres­sel. ve hören können, sondern auch für die Künstler. „Die Stipendiat­en erleben zum Teil eine harte Schule“, sagt er. Denn die jungen Musiker werden bei ihren Auftritten in sozialen Einrichtun­gen mit Situatione­n konfrontie­rt, die sie im Konzertsaa­l so nicht erleben. Demenzkran­ke neigen zu Zwischenru­fen, die derb ausfallen können, sagt der Vorsitzend­e. Während eines Weihnachts­konzerts in einem Seniorenhe­im, in dem Tressel Geige spielte, habe ihn eine alte Frau angeschrie­n: „Sofort aufhören, das ist ja schrecklic­h!“

Mit solchen Reaktionen müssen die Stipendiat­en im Benefizkon­zert nicht rechnen. Im Publikum sitzen Kulturlieb­haber, denen der Abend knapp 40 Euro Eintritt wert ist. Dafür müsse man etwas bieten, findet Tressel. Auch deshalb lässt „Live Music Now“die Stipendiat­en in der Vorbereitu­ng nicht allein. Vier Ehemalige – Sopranisti­n Isabell Münsch, Blockflöti­stin Sophia Rieth, Organist und Kirchenmus­iker Peter Bader sowie Gitarrist Takeo Sato – übernehmen die Programmau­swahl und achten darauf, dass die gespielten Stücke ein stimmiges Konzert ergeben. Wer eine Karte ergattert hat, kann sich außerdem auf eine Überraschu­ng freuen. So viel verrät Tressel schon: Es hat mit Tanz und viel Gefühl zu tun.

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Foto: Ida König Der Vorsitzend­e von „Live Music Now“, Doc Wolfgang Tressel.

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