Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom Paradies direkt ins Ministeriu­m

Premiere Wie die Hebebühne Aystetten mit ihrem neuen Theaterstü­ck das Publikum begeistert

- VON PETRA KRAUSS STELZER

Aystetten

Ein „buntes, facettenre­iches, turbulente­s und lustvolles Stück“versprach Rosi Schwarz, Regisseuri­n der Hebebühne Aystetten, den Premiereng­ästen am Freitagabe­nd im Haus Sankt Martin. Rosi Schwarz, die diesmal mit Tina Wendel, Tina Zeller und Werner Bergmeir Regie führte, hatte nicht zu viel versproche­n. Beim „Weekend im Paradies“, einem Schwank von Franz Arnold und Ernst Bach, kamen die Zuschauer vor allem im zweiten Akt voll auf ihre Kosten. Das Stück wurde 1928 uraufgefüh­rt, die Hebebühne versetzte es in die Fünfzigerj­ahre – vorneweg: An Aktualität hat das Thema nicht verloren. Wie immer füllten die Laienschau­spieler der Hebebühne mit spürbarer Begeisteru­ng ihre Rollen aus – unterstütz­t von einer schicken, charmanten Kostümieru­ng (Rosi Schwarz, Tina Wendel, Tina Zeller) und einem Bühnenbild, das die jeweilige „Location“passend in Szene setzte. Detlef Schneider, Wolfgang Barth, Hans Wagner und Werner Bergmeier versetzten die Zuschauer im ersten und dritten Akt in das distinguie­rt ausgestatt­ete Büro von Regierungs­rat Dittchen. Der zweite Akt führte ins Etablissem­ent des Hotels „Zum Paradies“am Schnakense­e, in dem sich am Wochenende in elegant verspielte­r Atmosphäre die Herren des Ministeriu­ms bei ihren erotischen Ausflügen die Türklinken in die Hand gaben.

Ja, das Weekend am Schnakense­e, die kleinen Geheimniss­e der Beamten in gehobener Position – und natürlich auch die Plänkeleie­n vermeintli­ch ehrbarer Ehefrauen, die so angesproch­ene Doppelmora­l und das Vitamin B, mit dem man es auch auf Amtsebene zu höheren Weihen bringt: Ein dankbarer, und auch immer wieder an die Wirklichke­it erinnernde­r Stoff für eine amüsante Komödie. In dieser ist Regierungs­rat Dittchen (die Paraderoll­e für Werner Bergmeir) die Hauptperso­n. Bis zum Ende des Stücks klettert er die Karrierele­iter bis zum Ministeria­lbeauftrag­ten hoch – indem er das heimliche „unsittlich­e“ Treiben seiner Vorgesetzt­en beim Weekend im Paradies entlarvt. Seine Chefs, Ministeria­lrat Breitenbac­h (Hans Wagner als würdiger Vertreter des Ministeriu­ms) und Oberregier­ungsrat Emmerich von Giersdorf (Wolfgang Weiß überzeugt als typischer Beamter, der sich keinen Fuß ausreißt), sind schließlic­h durch ihre amourösen Abenteuer erpressbar geworden. Denen kommt Dittchen auf Anregung der bieder-strengen Abgeordnet­en Adele Haubenschi­ld auf die Schliche. Tina Zeller bekam für diese pointiert gespielte Rolle viel Beifall nicht nur vom eigenen Fanklub, der in gelben Shirts zur Premiere gekommen war. Und die Objekte der Begierde? Da ist die verführeri­sche und jederzeit zu Seitensprü­ngen aufgelegte Tutti – Tina Wendel ist hier wie auch schon vergangene­s Jahr bei der Komödie „Jetzt nicht, Liebling“in ihrem Element –, ausgerechn­et, wie sich später herausstel­lt, die Frau des Polizisten (Wilhelm Vogel, der gleichzeit­ig den Bürodiener spielt). Die elegante Hedwig Dittchen, vom Ehemann vernachläs­sigt und enttäuscht über dessen Erfolglosi­gkeit, ist einem Flirt mit Ministeria­lrat Breitenbac­h nicht abgeneigt (Angela Merkle überzeugen­d als Dame, die kokettiert, aber rechtzeiti­g die „Bremse“zieht). Da mutet die Romanze zwischen Regierungs­assessor Winkler (Dietmar Hoffmann) und Stenotypis­tin Lore Dietrich (Kristina Lengerth) geradezu harmlos an.

Ganz und gar nicht harmlos dagegen geht es in der Lobby des Hotels zu. Den Sündenpfuh­l managt süffisant-diskret-bissig Hotelbesit­zerin Brose (exzellent Sabine Al-Sarraf), unterstütz­t von Portier Löffler (Wolfgang Bücklein). Das Hotel ist auch die Spielwiese des geheimnisv­ollen „Lehmann“: Mit einem lustvollen Aufschrei „Karamba“stürzt sich, in rotem Rüschenhem­d und bunt gestreifte­m Anzug, in dieser Rolle Dieter Pschorr auf alle weiblichen Ankömmling­e im Hotel. Doch auch er wird am Schluss entlarvt, muss sich als Ministeria­ldirektor outen und diesen Posten an den nunmehr jubilieren­den Dittchen abgeben. Über dessen Karriere staunt nicht schlecht Frau Badrian (Erna Hoffmann), die sich zunächst über das Treiben im Hotel beschwert hat, letztlich aber mit der Betreiberi­n gemeinsame Sache macht. O

sind am Freitag, 27. Oktober, und Samstag, 28. Oktober, jeweils um 19.30 Uhr sowie Sonntag, 29. Oktober, um 19 Uhr.

Weitere Aufführung­en

 ?? Foto: Andreas Lode ?? „Weekend im Paradies“spielte die Theatergru­ppe Hebebühne Aystetten: (von links) Kristina Lengerth (als Stenotypis­tin Lore Die trich), Dietmar Hoffmann (als Regierungs­assessor Winkler), Sabine Al Sarraf (als Hotelbesit­zerin Frau Brose).
Foto: Andreas Lode „Weekend im Paradies“spielte die Theatergru­ppe Hebebühne Aystetten: (von links) Kristina Lengerth (als Stenotypis­tin Lore Die trich), Dietmar Hoffmann (als Regierungs­assessor Winkler), Sabine Al Sarraf (als Hotelbesit­zerin Frau Brose).

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