Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Milch Rebellen aus Oberbayern

Landwirtsc­haft Die Molkerei Berchtesga­dener Land setzt schon lange auf Nachhaltig­keit. Jetzt positionie­rt sie sich klar gegen das Pflanzengi­ft Glyphosat – als erstes Milchwerk in Deutschlan­d

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg

Vor zwei Jahren hat Bernhard Pointner schon einmal für Aufsehen gesorgt. Die Milchkrise schwelte, der Milchpreis fiel zum Teil unter 30 Cent, viele Landwirte mussten ihren Hof aufgeben. In dieser dramatisch­en Zeit tat Pointner etwas ganz und gar Ungewöhnli­ches: Er zahlte seinen Milchbauer­n nicht weniger Geld als die übrigen Molkereien, sondern mehr.

38 Cent pro Liter bekamen die Landwirte damals von der Molkerei Berchtesga­dener Land, die ihren Sitz im oberbayeri­schen Piding hat bieten, das umstritten­e Pflanzengi­ft Glyphosat zu benutzen. Das Mittel steht im Verdacht, krebserreg­end zu sein. Seit Monaten wird in der Europäisch­en Union darüber gestritten, ob es für weitere zehn Jahre auf dem Markt bleiben darf. Vorstand und Geschäftsf­ührung von Berchtesga­dener Land haben sich schon vor einiger Zeit auf den Schritt verständig­t. Gestern stimmte auch der Aufsichtsr­at, in dem Vertreter der Landwirte sitzen, einstimmig dafür. „Es gibt in unserem Milcheinzu­gsgebiet keine Notwendigk­eit, ein Totalherbi­zid einzusetze­n, dessen wissenscha­ftliche Bewertung hinsichtli­ch Auswirkung­en auf Mensch und

Es ist ein ungewöhnli­cher Schritt, aber er passt zu der Molkereige­nossenscha­ft, die sich schon immer mehr über die Qualität ihrer Produkte definiert hat als über die bloße Menge, die verkauft wird. Berchtesga­dener Land wurde vor 90 Jahren von 54 Bauern gegründet, am Anfang lieferten sie knapp 700 Liter Milch am Tag nach Piding. Fast 50 Jahre später entstanden durch die Fusion mit der Chiemgau-Molkerei im Nachbarort Trutlachin­g die Milchwerke Berchtesga­dener Land. Heute gehören 1800 Landwirte aus der Region zwischen Watzmann und Zugspitze zur Genossensc­haft. 1973 führte der damalige Geschäftsf­ührer und Vater des heutigen Chefs Helmut Pointner eine Bio-Linie ein, Berchtesga­dener Land war damals die erste bayerische Bio-Molkerei. Heute sind knapp ein Drittel der mittlerwei­le 1800 Milchviehh­alter Bio-Bauern.

Berchtesga­dener Land hat hohe Ansprüche an seine Lieferante­n: Das Futter muss frei von Gentechnik sein, die Landwirte sollen so wenig Antibiotik­a wie möglich einsetzen. Stattdesse­n veranstalt­et das Unternehme­n Homöopathi­e-Schulungen, schickt Berater in die Ställe. Damit sich das alles auch rechnet, verlangt das Unternehme­n von seinen Kunden höhere Preise. Die Milch in den charakteri­stischen grünen Packungen und Glasflasch­en ist mindestens doppelt so teuer wie beim Discounter. Molkerei-Chef Pointner beruft sich immer wieder auf die Qualität der Produkte – und auf den Verbrauche­r, der das erkennt und bereit ist, mehr Geld dafür auszugeben. Dafür werden Radiospots geschaltet, in denen die Bergbauern von ihrem Alltag erzählen. Dafür wird ein aufwendige­r Unternehme­nsfilm produziert, der zeigt, wo die Milch herkommt.

Und dafür sorgt Bernhard Pointner in regelmäßig­en Abständen für Aufsehen mit seinen Vorstößen, die ganz und gar ungewöhnli­ch für die Branche sind.

 ?? Foto: Molkerei Berchtesga­dener Land ?? Grüne Wiesen, steile Berge: Hauptprodu­kt der Molkerei Berchtesga­dener Land ist die Bergbauern­milch. Wer sich als Bergbauer bezeichnen darf, ist genau geregelt. Die Wie sen und Weiden müssen demnach auf mindestens 600 Metern liegen und eine Hangneigun­g...
Foto: Molkerei Berchtesga­dener Land Grüne Wiesen, steile Berge: Hauptprodu­kt der Molkerei Berchtesga­dener Land ist die Bergbauern­milch. Wer sich als Bergbauer bezeichnen darf, ist genau geregelt. Die Wie sen und Weiden müssen demnach auf mindestens 600 Metern liegen und eine Hangneigun­g...

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