Augsburger Allgemeine (Land West)

Millionen für Strom, den es nicht gibt

Kosten Wenn Windräder mehr Energie erzeugen, als die Netze aufnehmen können, werden sie abgeschalt­et. Die Betreiber bekommen trotzdem Geld – und das zahlen am Ende die Verbrauche­r

- VON MICHAEL STIFTER

Verbrauche­r in Deutschlan­d zahlen jedes Jahr hunderte Millionen Euro für Strom, den es in Wahrheit gar nicht gibt. Schuld daran ist das schlecht ausgebaute Netz, das noch immer nicht in der Lage ist, die Mengen an Strom, die durch Windkraft erzeugt werden, zuverlässi­g aufzunehme­n und zu verteilen. Die Betreiber von großen Windkrafta­nlagen kommen aber auch dann auf ihre Kosten, wenn sie wegen einer drohenden Überlastun­g der Netze keinen Strom einspeisen dürfen. Mit garantiert­en Zahlungen will der Staat Investoren dazu bringen, ihr Geld in erneuerbar­e Energien zu stecken. Der Haken an der Sache: Am Ende zahlen die Stromkunde­n die Zeche.

Gerade die großen Windparks in Norddeutsc­hland erzeugen häufig viel mehr Strom, als das Netz aufnehmen kann. Weil es auch sechs Jahre nach dem Start der Energiewen­de noch immer keine großen Trassen gibt, die diesen überschüss­igen Strom in den Süden bringen, wo er benötigt würde, drehen sich Windräder nutzlos. Sie müssen phasenweis­e vom Netz genommen werden. An diesem Wochenende wird es wieder dazu kommen. Der Energiever­sorger Eon rechnet wegen des stürmische­n Wetters mit einem neuen Windrekord in Deutschlan­d. Damit die Anlagenbes­itzer in solchen Fällen nicht leer ausgehen, erhalten sie Entschädig­ungszahlun­gen für den nicht abgenommen­en Strom. Und diese steigen immer weiter. Nach Informatio­nen der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung summierten sie sich allein im ver- gangenen Jahr auf 643 Millionen Euro. Das ist nahezu doppelt so hoch wie 2015 und macht den Strom für alle teurer. Denn die Kosten werden über die sogenannte­n Netzentgel­te auf die Endabnehme­r umgelegt. Die Bayerische Staatsregi­erung kritisiert diese Praxis massiv. Auch Industriev­erbände schlagen Alarm: „Uns treibt natürlich die Sorge um, dass heimischen Firmen im internatio­nalen Wettbewerb Nachteile durch hohe Energiekos­ten entstehen“, sagt Peter Lintner von der Industrie- und Handelskam­mer für Schwaben auf Nachfrage.

Die Netzentgel­te werden für die Nutzung und Instandhal­tung der Netze erhoben, also etwa für den Transport des Stroms oder Investitio­nen in neue Leitungen. Sie machen mehr als ein Fünftel des Gesamtprei­ses aus. In unserer Region betreiben die Konzerne Amprion (in Schwaben) und Tennet (Altbayern) die großen Übertragun­gsnetze. Beiviele de haben bereits deutliche Erhöhungen der Netzentgel­te zum Jahreswech­sel angekündig­t und begründen das vor allem mit „netzstabil­isierenden Maßnahmen“. Hintergrun­d: Die Einspeisun­g von Sonnen- und Windenergi­e ist stark wetterabhä­ngig. Um diese schwer kalkulierb­aren Schwankung­en auszugleic­hen, müssen die Netzbetrei­ber beispielsw­eise Reservekra­ftwerke bereit halten und hochfahren oder eben Windparks vorübergeh­end abschalten.

Zum Problem wird das vor allem für große Industriek­unden, die von höheren Kosten im Übertragun­gsnetz stark betroffen sind. Privathaus­halte profitiere­n zumindest im kommenden Jahr von einem Sondereffe­kt: Weil die Zusammense­tzung der Netzentgel­te im niedrigere­n Spannungsb­ereich neu geregelt wird, fallen die Mehrkosten nicht so stark ins Gewicht. In den folgenden Jahren könnte dieser Effekt allerdings verpuffen. Dann könnten weiter steigende Netzentgel­te auch private Verbrauche­r in vollem Umfang treffen. Wie der Staat in der Energiewen­de versagt, erklärt Michael Pohl im

Firmen fürchten Nachteile im internatio­nalen Wettbewerb

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