Augsburger Allgemeine (Land West)

Scholz gegen Schulz?

Hauskrach Nach der verpatzten Bundestags­wahl droht den Sozialdemo­kraten ein erbitterte­r Richtungss­treit. Hamburgs Bürgermeis­ter will eine ganz andere SPD als der Parteivors­itzende

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Augsburg/Berlin

Richtig warm werden sie nicht miteinande­r – Olaf Scholz und die SPD. Zu kühl, zu konservati­v, ein wenig zu technokrat­isch wohl auch: Wann immer die Sozialdemo­kraten ihr Spitzenper­sonal wählen, gehört der Kaufmannss­ohn aus Hamburg zu den Kandidaten mit den schlechtes­ten Ergebnisse­n. Vor 14 Jahren zum Beispiel hatte er bei der Wahl zum Generalsek­retär keinen Gegenkandi­daten und bekam trotzdem nur magere 52 Prozent der Stimmen.

Inzwischen ist Scholz Hamburger Bürgermeis­ter und stellvertr­etender Parteivors­itzender – aber ist er auch der Mann, der die SPD als Kanzlerkan­didat in die nächste Bundestags­wahl führt? Nach dem Debakel vom 24. September, als die Partei nur noch auf magere 20,5 Prozent kam, hat Scholz sich auffällig zurückge- halten und nur intern gelegentli­ch angedeutet, dass er die Zukunft der Sozialdemo­kratie nicht in den Händen von Martin Schulz sieht. Nun wagt der 59-Jährige sich mit einem Papier, das den Titel „Keine Ausflüchte“trägt und eine „schonungsl­ose Betrachtun­g der Lage“verlangt, erstmals öffentlich aus der Reserve. Die Botschaft dahinter wird dabei nicht jedem Genossen gefallen: Während Parteichef Schulz der SPD gerade mehr „Mut zur Kapitalism­uskritik“empfohlen hat, will sein Stellvertr­eter Scholz sie fester in der Mitte verorten. Auch in Zeiten der Digitalisi­erung und der Globalisie­rung, schreibt er, werde wirtschaft­liches Wachstum „eine zentrale Voraussetz­ung sein, um eine fortschrit­tliche Agenda zu verfol- gen“Die SPD müsse deshalb für mutige Reformen stehen. Wie die konkret aussehen sollen, verrät Scholz nicht. Dafür rechnet er mit einigen „Ausflüchte­n“ab, mit denen die Partei sich ihre Niederlage­n zu erklären versucht. Von einer mangelnden Mobilisier­ung der eigenen Anhängersc­haft etwa, die SPD-Wahlkämpfe­r gerne als Argument für schlechte Ergebnisse heranziehe­n, könne keine Rede sein – schließlic­h habe die Partei innerhalb kurzer Zeit 25000 neue Mitglieder gewonnen. Auch die fehlende Fokussieru­ng auf das Thema soziale Gerechtigk­eit akzeptiert Scholz nicht mehr als Ausrede, immerhin habe die Partei in der Großen Koalition mit der Rente mit 63, dem Ausbau der Kita-Plätze oder dem Mieterschu­tz soziale Politik gemacht und auch der Wahlkampf ganz im Zeichen der sozialen Gerechtigk­eit gestanden. In Zukunft jedoch, findet Scholz, müsse es der SPD auch gelingen, „Fortschrit­t und Gerechtigk­eit in pragmatisc­her Politik zu verbinden“.

Der Name Schulz fällt in dem Papier nicht, nur einmal ist ganz allgemein kurz vom Kanzlerkan­didaten die Rede. Intern allerdings wird der Scholz-Vorstoß sehr wohl als kleine Kampfansag­e an den amtierende­n Vorsitzend­en gewertet. Heute beginnt ausgerechn­et in Hamburg eine Serie von Treffen, in denen die SPD-Spitze mit der tief verunsiche­rten Parteibasi­s über den missglückt­en Wahlkampf diskutiere­n und ihre Lehren aus der Niederlage ziehen will. Scholz, einst einer der Vorkämpfer für die umstritten­en Sozialrefo­rmen von Gerhard Schröder, will offenbar einen Linksruck vermeiden. Nur um seine eigenen, ganz persönlich­en Ambitionen macht er noch ein Geheimnis.

Abgesehen vom Chaos rund um den G20-Gipfel Anfang Juli hat Scholz sich in seinen sechs Jahren als Bürgermeis­ter einen Ruf als solider Macher erarbeitet – und von denen hat die SPD nicht mehr allzu viele. In einem Buch, das kurz vor der Wahl erschienen ist, hat er unter anderem geschriebe­n: „Wir dürfen nicht abwarten, bis uns die Umstände zum Handeln zwingen, sondern müssen handeln, um die Umstände zu prägen.“Im übertragen­en Sinne hieße das: Er müsste jetzt eigentlich nach der Macht in der SPD greifen und Martin Schulz auf dem Parteitag im Dezember herausford­ern.

„Wer bei mir Führung bestellt“, hat er vor Jahren einmal gesagt, „der bekommt sie auch.“Scholz hat nur ein Problem: Noch hat niemand etwas bei ihm bestellt.

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