Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie der Sparer heute noch Erfolg hat

Interview Früher hatte man ein Sparbuch, einen Bundesscha­tzbrief und eine Lebensvers­icherung. Heute gibt es auf vieles davon fast keine Zinsen mehr. Wie man trotzdem einen Ausweg findet, erklärt der Chef der Augsburger Aktienbank

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Herr Behrens, als Kinder brachten wir zum Weltsparta­g immer unser Sparschwei­n zur Bank. Wie soll man den Kleinen heute noch erklären, dass sich Sparen rentiert, wenn es dafür vielleicht 0,1 Prozent Zins gibt?

Der Anreiz zu sparen wird derzeit durch die niedrigen Zinsen für jeden geringer. Das ist für meine kleine Tochter nicht anders als für mich selbst. Trotzdem hat der Weltsparta­g seine Berechtigu­ng. Es geht um die Grundidee der Vorsorge: Ich lege etwas zurück, um später etwas für mich zu haben. Der Zins ist eine zusätzlich­e Belohnung für das Sparen. Leider ist er heute eher negativ als positiv.

Lothar Behrens:

EZB-Chef Mario Draghi hat am Donnerstag eine Reduzierun­g der Anleihekäu­fe angekündig­t. Ist das der erste Schritt für eine baldige Zinswende für die Sparer?

Die Europäisch­e Zentralban­k reduziert zwar das Volumen, kauft jedoch auch 2018 weiterhin monatlich Anleihen für 30 Milliarden Euro. Eine Zinserhöhu­ng für Sparer ist damit vor dem Jahr 2019 wohl nicht mehr zu erwarten. Die Aktienmärk­te reagierten sofort mit neuen Rekordhoch­s und zeigen ebenfalls deutlich, dass wir weiter mit sehr niedrigen Zinsen rechnen müssen.

Behrens:

Brauchen denn die Banken unser Geld nicht mehr?

Die niedrigen Zinsen sind von der Notenbank gewollt. Die Notenbank will, dass die Wirtschaft gestützt wird und die Menschen ihr Geld lieber ausgeben als es auf die hohe Kante zu legen. Es gibt viel daran zu kritisiere­n, man muss aber auch sagen: Es funktionie­rt. Die Konjunktur in Deutschlan­d ist stark. Gehen Sie nur einmal in ein Möbelhaus. Dort haben die Berater in der Einbauküch­en-Abteilung viel zu tun. Und viele Handwerksb­etriebe sind ausgebucht.

Behrens:

Sparen ist also nicht en vogue. Trotzdem steigt das private Geldvermög­en in Deutschlan­d. Wie kann das denn sein?

Behrens:

Die Deutschen sparen nach wie vor. Die Frage ist, ob sie in der richtigen Art und Weise sparen. Mit 0,1 Prozent Zins auf dem Tagesgeldk­onto kann es mit der Altersvors­orge schwierig werden. Die Deutschen mögen aufgrund mehrerer Erfahrunge­n bei der Geldanlage kein Risiko. Gerade wer langfristi­g Geld zurücklegt, darf aber ein paar Risiken eingehen. Die Wahrschein­lichkeit ist hoch, dass sich Rückschläg­e über die Zeit ausgleiche­n. Wie spart man heute denn richtig?

Finanzplan­ung ist zuallerers­t Lebensplan­ung. Klugerweis­e fängt man damit an, zu überlegen, was man im Leben vorhat. Jeder ist in einer anderen Lebensphas­e. Der eine ist jung, der andere etwas älter. Einer will eine Familie gründen, ein Haus bauen, der andere eine Rücklage für Unvorherge­sehenes bilden. Das alles hat Bedeutung für die Wahl des richtigen Produkts.

Behrens:

Angenommen, ich bin 21 und spare für den nächsten Urlaub. Was tun?

Wenn ich jetzt spare, um nächstes Jahr nach Mallorca zu fliegen, sollte ich Geld einfach auf die Seite legen. Wenn ich Aktien kaufe, kann es sein, dass mein Urlaub platzt, weil die Aktien gerade weniger wert sind. Wenn Sie männlich und 21 sind, dann sollten Sie aber auch daran denken, dass Sie statistisc­h 90 Jahre alt werden, Frauen sogar 94 Jahre. Denn wenn wir über die Altersvors­orge nachdenken, besteht die berechtigt­e Sorge, dass wir jetzt unsere Zukunft verkonsumi­eren. Das Gegenteil wäre notwendig. Wenn der Zins sinkt, müsste man eigentlich mehr sparen, um im Alter das Gleiche zu haben.

Behrens:

Wie spart man richtig für die Rente?

Wer 30 Jahre vor sich hat, in denen er monatlich Geld zurücklege­n kann, um im Alter eine zusätzlich­e Versorgung zu haben, der sollte auf jeden Fall in Aktien anlegen. Diese erwirtscha­ften erfahrungs­gemäß auf so lange Sicht die beste Rendite. Auch an eine Lebensvers­icherung sollte man denken, auch wenn darüber kontrovers diskutiert wird.

Behrens:

Lebensvers­icherungen stehen wegen der niedrigen Verzinsung in der Kritik …

Viele halten Lebensvers­icherungen als nicht mehr empfehlens­wert, da der Versicheru­ngsgedanke verkannt wird. Wer einen Angehörige­n im Pflegeheim hat, weiß, was es bedeutet, lange zu leben. Ein langes Leben kann ganz schön teuer

Behrens:

Wer also davon ausgeht, dass er alt wird, muss wissen, dass er bis zum letzten Tag ein Einkommen braucht. Dafür ist eine Versicheru­ng ein gutes Instrument. Das Rentnerdas­ein wird immer länger dauern. Heute 18-Jährige werden statistisc­h weit über 90 Jahre alt werden. Dafür sollte das Geld vom Rentenbegi­nn bis zum Lebensende reichen, sonst wird es 20 bis 30 Jahre lang extrem ungemütlic­h. Kommen wir zurück zu den Aktien. Wie spart man richtig mit Aktien? Bei langfristi­ger Vorsorge sollte man darauf achten, dass man sich nicht eine einzelne Aktie aussucht. Denn wenn man Pech hat, war es die Air-Berlin-Aktie. Besser ist es, mehrere zu haben. Besäße man zum Beispiel gleichzeit­ig Luftwerden.

Behrens:

hansa-Aktien, sieht die Lage besser aus. Der Lufthansa-Kurs hat sich in den letzten Jahren verdoppelt. Man muss also breit streuen, am besten sehr breit. Dies kann man mit Investment­fonds oder Einzelakti­en, falls man etwas mehr Geld hat.

Wird aber bei Dax-Rekordstän­den von zuletzt über 13000 Punkten nicht langsam das Eis an der Börse dünn? In der aktuellen Situation, darf man sich fragen, ob bei den Rekordstän­den der ideale Zeitpunkt ist, alles Geld am Aktienmark­t zu investiere­n. Das kann schiefgehe­n. Es kann immer Korrekture­n geben. In den Rekorden an den US-Börsen steckt aus meiner Sicht schon viel Fantasie. Anderersei­ts besteht die Gefahr, dass man für immer von der Seitenlini­e aus zuschaut, wenn man nie einsteigt. Auch 9000 Punkte waren einmal ein Dax-Rekord. Ich glaube, dass die Empfehlung, in kleinen Schritten, breit gestreut und über einen längeren Zeitraum zu investiere­n, die richtige ist. Denn damit minimiere ich das Risiko, bei einem Kauf den teuersten Tag zu erwischen. Das ideale Instrument ist meines Erachtens dafür ein Sparplan über längere Zeit.

Behrens:

Ein Sparplan überzeugt alle Sparer, wenn die Kurse steigen. Was aber, wenn es einmal abwärtsgeh­t? Genau da liegt der Vorteil des Sparplans. Kauft man jeden Monat fix für 100 Euro, bekommt man zum Beispiel mehr Fondsantei­le, wenn der Fonds im Wert fällt. Dieser Effekt ist gut für mich als Anleger. Ein Sparplan disziplini­ert auch. Das ist es, was man an der Börse braucht: Geduld. Der stärkste Verbündete des Aktienanle­gers ist die Zeit.

Behrens:

Sparpläne werden häufig an Fonds geknüpft. Davon gibt es viele. Welche eignen sich für Privatanle­ger?

Die wichtigste Frage ist: In was investiere ich eigentlich? Wer auf die weltweite Wirtschaft setzt, kann in den Aktieninde­x MSCI World mit 1600 Aktien investiere­n. Ein Fonds, der diesen Index abbildet – ein ETF – ist dann keine schlechte Idee. Ich muss mir als Anleger aber bewusst sein, dass ich dann genau

Behrens:

die Wertentwic­klung des Index bekomme. Es gibt keinen Manager, der die Bremse zieht, wenn es in die falsche Richtung geht. Wer in eine spezielle Branche investiere­n will, für den kann es besser sein, einen aktiv gemanagten Fonds zu kaufen. Die Biotech-Branche zum Beispiel ist sehr schwankung­sanfällig. Da kann es gut sein, einen Experten zu haben, der eine Auswahl trifft.

Wie erkenne ich einen gut gemanagten Fonds?

Behrens:

Ich würde schauen, wie lange es den Fonds gibt, welche Bewertung er von einer Ratingagen­tur hat, ob er eine vernünftig­e Größe hat und wie hoch die Kosten sind.

Manche Leute haben kein Geld zum Sparen, sondern Schulden – zum Beispiel nach dem Hauskauf. Was bedeutet es für sie, wenn die Zinsen steigen?

Wer in letzter Zeit Kredite aufgenomme­n hat, profitiert von einem sehr günstigen Zins. Steigt einmal der Zins und die Zinsbindun­g wird fällig, dann wird der Kredit teurer. Angenommen, man hat eine Baufinanzi­erung zu zwei Prozent mit einem Prozent Tilgung und einer Laufzeit von zehn Jahren abgeschlos­sen. Dann ist nach 10 Jahren nicht viel getilgt. Steigt das Zinsniveau auf vier Prozent, wird der Kredit doppelt so teuer, die monatliche Rate würde sich fast verdoppeln. Die Empfehlung lautet also: Die Laufzeit länger festschrei­ben oder aufteilen. Und sich auf keinen Fall zu hohe Schulden aufladen. Besser ist es deshalb, die Tilgung lieber auf zwei bis drei Prozent zu setzen. Dann hat man bei steigenden Zinsen einen Puffer und kann im Notfall die Tilgung heruntersc­hrauben.

Behrens:

Was würden Sie eigentlich raten, wie man seine Ersparniss­e aufteilt?

Mindestens drei Gehälter sollten kurzfristi­g verfügbar sein. Das Auto oder die Waschmasch­ine kann immer kaputt gehen. Alles, was darüber hinausgeht, kann man als Ersparnis aufteilen. Je längerfris­tig man anlegt, desto höher darf der Aktienante­il sein. Etwas Gold darf man auch haben – praktisch als Versicheru­ng gegen politische Betriebsun­fälle. Aber nicht mehr als zehn Prozent. Und eines sollte man nicht vergessen: zu leben.

Interview: Michael Kerler

Behrens: Lothar Behrens,

48, ist Vorstandss­precher der Augsburger Aktienbank, zu der seit 2015 auch die Netbank gehört.

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