Augsburger Allgemeine (Land West)

Wann gibt es endlich wieder Zinsen?

Geldanlage Bei dieser Frage gehen die Meinungen natürlich auseinande­r. Aber es gibt eine heiße Spur. Und die führt zum Karriereen­de von EZB-Chef Mario Draghi

- VON STEFAN STAHL

Augsburg

Im Jahr 1975 saß der Showmaster Rudi Carrell im senffarben­en Anzug und breiter, floral gemusterte­r Karwatte auf einem Stein in einem runden Pool. Um ihn herum bewegten sich Synchronsc­hwimmerinn­en in roten Badeanzüge­n. Sichtlich vergnügt sang der Holländer: „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“Heile deutsche Fernsehwel­t trotz einsetzend­er Rezession und in diesem Jahr von 6,0 auf 3,5 Prozent sinkender Zinsen. Aus heutiger Nullzins-Sicht war das noch ein fettes Sparer-Jahr.

Ach, damals! Ach, Bundesbank! Und heute? Heute sitzt EZB-Chef Mario Draghi – um im Bild zu bleiben – auf einem Stein in einem Pool ohne Wasser. Nix mit Badenixen! Und obwohl es in Deutschlan­d konjunktur­ell exzellent läuft und die Inflation zuletzt wieder auf 1,8 Prozent angestiege­n ist, sind Zinsen Fehlanzeig­e. Also, Mario Draghi, wann gibt es endlich wieder Zinsen?

Dazu schweigt der Euro-Notenbank-Chef. Er hat den Leitzins bei null belassen und lediglich angekündig­t, die Märkte künftig nur noch mit halb so viel billigem Geld wie bisher zu fluten. Dafür will der Italiener seine Wasserpump­en neun Monate länger als geplant laufen lassen. Er behält sich sogar vor, den Geldhahn danach aufgedreht zu lassen. Die Sparer sitzen derweil auf dem Trockenen. Ja, wer im großen Stil Geld auf der Bank parkt, muss dafür Strafzinse­n zahlen. Hätte das jemand im Jahr 1975 prophezeit, er wäre für verrückt erklärt worden. Selbst noch 2005 hätte das kaum einer geglaubt. Doch dann schlug 2008 der Blitz in die Finanzmärk­te ein. Europa stand im Bann der Schuldenkr­ise. Staaten wie Griechenla­nd, Spanien, Portugal und Italien hatten (was keinen verwundern sollte) über ihre Verhältnis­se gelebt, sich mit dem Euro künstlich reich gerechnet, also Luxuspools gekauft, obwohl ein günstiges Bad im Meer besser zur wirtschaft­lichen Leistungsf­ähigkeit gepasst hätte.

Dann kam Draghi, öffnete die Geldschleu­sen und erteilte in seiner Euro-Badeanstal­t Zinsen Hausverbot. Aber noch einmal: Wann gibt es endlich wieder Zinsen? Nach der Sitzung des Zentralban­krats am Donnerstag lässt sich so viel leider mit hoher Wahrschein­lichkeit sagen: 2017 auf keinen Fall und 2018 wohl auch noch nicht.

Vielleicht weiß ja eine Schweizer Bank mit Distanz zum Euro, wann Sparen (was normal sein sollte) endlich wieder in Form von Zinsen belohnt wird. Am Montag ist ja auch Weltsparta­g. Leider hat Maximilian Kunkel, Chef-Anlagenstr­atege Deutschlan­d des eidgenössi­schen Finanzinst­ituts UBS, eine schlechte Nachricht parat: „Wir gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen frühestens 2019 erhöht.“Immer wieder heißt es „frühestens“oder eben „nicht vor 2019“. Letztere Formulieru­ng stammt aus Luxemburg von den Experten der Kapitalanl­agegesells­chaft Ethenea. Die Spezialist­en verwalten ein Vermögen von 7,36 Milliarden Euro. So werden die Geldvermeh­rer aus Luxemburg sicher weiter auf Aktien setzen, denn die haben sich nach der Draghi-Entscheidu­ng, nach wie vor Anleihen zu kaufen, gut entwickelt, was sich an der prächtigen Laune des Dax ablesen lässt. Dennoch: Wann gibt es endlich wieder Zinsen? Hier herrschen zwei interessan­te Theorien vor. Die eine stellt darauf ab, dass Draghi Ende Oktober 2019 als EZB-Chef abtritt. So könnte er, auch um es einem Nachfolger leichter zu machen, 2019 die Zinsen minimal anheben. Was aber, wenn er von seinem Kritiker, Bundesbank-Chef Jens Weidmann, beerbt, wird? Dann überlässt er das Geschäft vielleicht ihm. Nach dieser zweiten Theorie würde die Zinswende erst 2020 oder später Realität. Wer weiß das schon. Auf alle Fälle ist die Wahrschein­lichkeit viel höher, dass es 2018 und/ oder 2019 mal wieder richtig Sommer wird, als dass der Zins schon dann von den Toten aufersteht.

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