Augsburger Allgemeine (Land West)

Freischwim­mer in Rekordzeit

Unterricht Immer mehr Kinder können nicht schwimmen. Diese Klagen hört man seit Jahren. Wie jetzt an einigen Projektsch­ulen die Kinder für den sicheren Sprung ins Wasser fit gemach werden

- VON SARAH RITSCHEL

Rain am Lech

Startsprun­g vom Beckenrand, 200 Meter Schwimmen, einen Ring aus dem zwei Meter tiefen Wasser tauchen: All das muss man für das Schwimmabz­eichen in Bronze können. Und all das haben die Sechstkläs­sler der Realschule Rain (Kreis Donau-Ries) gerade im Schnelldur­chlauf gelernt. Schwimmini­tiative 2017 heißt das neue Angebot offiziell. Für die Schüler heißt es vor allem eins: Statt Mathe, Kunst, Deutsch oder anderen Fächern steht jeden Tag Schwimmen auf dem Stundenpla­n. Nicht von morgens bis zum Schulschlu­ss, aber mindestens zwei Stunden täglich.

Sechstkläs­sler Felix steigt aus dem Becken im Rainer Hallenbad und zieht sich die blaue Schwimmbri­lle vom Kopf. „Ich finde die Schwimmwoc­he gut, man lernt das Schwimmen so richtig und viel schneller als sonst.“

Genau das ist das Ziel, das die Erfinder der Schwimmwoc­he verfolgen. Die Idee kommt vom Aktionsbün­dnis für den Schulsport, das beim Bayerische­n Landesspor­tverband (BLSV) angesiedel­t ist. Dessen Vorsitzend­er Anton Schmid wollte sich nicht länger die Klagen anhören, dass der Schwimmunt­erricht an bayerische­n Schulen wenig effektiv sei und viele Eltern ihre Kinder nicht mehr in einen Schwimmkur­s schicken würden.

Sein Verband könne zwar „nicht mehr Bäder bauen und den Schülern auch nicht mehr Schwimmstu­nden zusprechen“, sagt der 71-Jährige aus Margertsha­usen im Kreis Augsburg. Stattdesse­n haben Schmid und sein Team mit Erlaubnis des Kultusmini­steriums die Schwimmwoc­he ins Leben gerufen. Die Ergebnisse aus bislang acht Testschule­n hätten Lehrer und Organisato­ren überrascht: An den drei Grundschul­en bewegten sich 60 Prozent der Nichtschwi­mmer später sicher im Wasser. Und von 82 teilnehmen­den Nichtschwi­mmern aus fünf Realschule­n konnten am Ende mehr als 90 Prozent die nötige Technik.

In Rain hat Sportlehre­rin Christine Förg ihre Schüler gerade auf die Sprungtürm­e geschickt, um den Startsprun­g zu üben. In der sechsten Klasse sollte eigentlich jedes Kind schwimmen können, sagt sie. „Wenn es nicht so ist, liegt das oft an den Eltern. Eine Mutter zum Beispiel hat Angst vor Wasser und überträgt das auch auf ihr Kind.“Andere würden sich schlicht wenig darum kümmern, dass ihr Kind schwimmen lernt. Das führt in einen Teufelskre­is. Denn: „Schlechte Schwimmer bringen auch öfter Entschuldi­gungen für den Schwimmunt­erricht mit.“Sich um die Nichtschwi­mmer zu kümmern und gleichzeit­ig die Technikfeh­ler der anderen zu beseitigen, dafür bleibe im regulären Unterricht nur selten Zeit.

Die Rainer Schulen haben ihr Hallenbad direkt in der Stadt – ein Luxus. Anderswo haben Bäder geschlosse­n oder liegen so weit entfernt, dass nach Busfahrt, Umziehen und Duschen gerade mal eine halbe Stunde im Wasser bleibt. Doch selbst in Rain ist trotz unmittelba­rer Nähe zum Wasser nur achtmal Schwimmen im Schuljahr vorgesehen. Es gibt ja auch noch andere Inhalte im Sportunter­richt. Wie viel Schwimmen nötig ist, dazu macht das Kultusmini­sterium keine konkreten Vorgaben. Auch ein Schwimmabz­eichen ist nicht Pflicht.

Organisato­r Anton Schmid hofft, dass der Unterricht im Wasser durch die Schwimmwoc­he mehr Platz und Wertschätz­ung an den Schulen bekommt. Der 71-Jährige führt dafür zurzeit die nötigen Gespräche. Er ist zuversicht­lich, dass das Kultusmini­sterium den Versuch aufgreift und bald für Schulen in ganz Bayern anbietet.

Sportlehre­rin Christine Förg ist dafür. Ihre Sechstkläs­sler haben nach der Intensiv-Woche erfolgreic­h Seepferdch­en und bronzene, die Besten sogar silberne Schwimmabz­eichen erhalten. „Wenn die Kinder jeden Tag im Wasser sind, ist das Gelernte auch nicht so schnell vergessen.“Hinter ihr machen die Schüler gerade ein paar „Arschbombe­n“vom Drei-Meter-Turm. Auch für solche Späße bleibt bei der Schwimmwoc­he Zeit.

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