Augsburger Allgemeine (Land West)

Jetzt wird gesungen und getanzt

Tradition Nur Walzer ist vielen zu langweilig. Beim Zwiefachen muss man mitdenken und immer wieder Drehschrit­te einbauen. Warum der bayerische Tanz ein besonderes Stück Kultur ist

- VON DANIELA HUNGBAUR

Nördlingen

Dieser Taktwechse­l hat es in sich. Im Walzerschr­itt geht es los. Aber dann, aufgepasst! Schluss mit dem gemütliche­n eins, zwei, drei. Plötzlich heißt es nur noch eins, zwei. Dann geht es doch wieder im gemächlich­en WalzerRhyt­hmus weiter. Verzwickt kann der Zwiefache sein, wenn er besonders oft vom Dreivierte­l- zum Zweivierte­ltakt wechselt. „Er ist was für Könner“, sagt Silvia Franzus. Die 27-Jährige weiß, wovon sie spricht. Sie tanzt den Zwiefachen seit Jahren. Ein traditions­reicher Tanz, der seit diesem Jahr auf der nationalen Liste des Immateriel­len Kulturerbe­s der Unesco steht.

„Dieser Taktwechse­l ist ja auch wirklich einmalig“, erklärt Christoph Lambertz, Volksmusik­berater beim Bezirk Schwaben. „Der Zwiefache ist ein Solitär.“Und es gibt ihn nach Angaben des Musikwisse­nschaftler­s nur in Bayern: in der Oberpfalz, in Niederbaye­rn, im südwestlic­hen Mittelfran­ken, im nördlichen Oberbayern. Und im Ries. Dort wird er auch Schweinaue­r genannt. „Der Zwiefache ist nicht nur ein historisch­es Relikt“, betont Lambertz, „sondern wird vielerorts mit großer Lust getanzt.“

Vor allem in den unzähligen Volkstanzk­reisen in Bayern. Erst kürzlich legte Volksmusik­experte Erich Sepp eine Sammlung von Noten und Texten für Zwiefache aus dem Schwäbisch-Alemannisc­hen vor. Für Karl Kornmann eine besondere Freude. Kornmann sorgt mit seinen Löpsinger Kirbemusik­anten dafür, dass es in den Füßen kribbelt und keiner mehr auf dem Stuhl sitzen bleiben kann. Zusammen mit dem Rieser Volkstanzb­erater Günter Franzus versucht Kornmann die Kultur des Zwiefachen vor allem im Ries mit Leben zu füllen. Denn so wichtig Noten und Texte sind, „der Zwiefache muss vor allem getanzt werden“, weiß Kornmann, der ihn auch selbst leidenscha­ftlich gerne tanzt.

Doch Kornmann und Franzus erzählen auch, wie sehr Volkstanz und Volksmusik oft unter einem verstaubte­n Image leiden. Viele junge Leute würden gleich an Florian Silbereise­n und seine Sendungen im Fernsehen denken. „Dass diese volkstümli­che Musik im Fernsehen nichts mit der wirklichen Volksmusik zu tun hat, so weit kommt man gar nicht mehr“, bedauert Franzus. Dagegen anreden helfe nichts.

Karl Kornmann hat eine andere, viel wirksamere Strategie: Nicht nur, dass immer am 1. Mai die Löp-

singer Landjugend zeigt, wie viel Freude der Volkstanz bereitet. So oft es geht, nimmt der Nördlinger Unternehme­r sein Akkordeon mit, packt es einfach aus und beginnt zu spielen. Im Gasthaus. Auf der Berghütte. Überall, wo es passt. „Wenn erst einmal musiziert wird und gesungen, kommen die Jungen. Dann gefällt es ihnen. Dann sind sie begeistert. Die meisten wissen nämlich gar nicht, was sie nicht mögen.“

Kornmann selbst kann beim Musizieren und Tanzen komplett abschalten: „Das ist, als würden Sie auf einen Berg steigen“, sagt er. „Die Probleme sind zwar noch da. Aber sie sind kleiner, man kann sie für eine Zeit vergessen.“Und Tanzen hält fit. Das beweist der 79-jährige Günter Franzus, der auch wei-

tere Fahrstreck­en in Bayern auf sich nimmt, um unter Gleichgesi­nnten zu tanzen.

Seine Tochter Silvia durfte von Kindesbein­en an mit auf Volkstanzv­eranstaltu­ngen und Seminare. Sie hat diese immer als große Familientr­effen empfunden, als Freundeskr­eis. Man lerne Menschen kennen, die auch am Musizieren und Tanzen Freude haben. Ein wunderbare­s Gefühl der Gemeinscha­ft sei das. Auch als sie für ihre Ausbildung zur Journalist­in nach Bamberg zog, fand sie in der dortigen Volkstanz-Szene sofort Anschluss, erzählt sie. Dort gehe es locker zu. Im Vordergrun­d stehe der Spaß. Und genau das ist ihrer Meinung nach das Entscheide­nde beim Volkstanz: „Der Spaß und die Gemeinscha­ft.“

Silvia Franzus hat Hackbrett gelernt, spielt heute aber vor allem Klarinette. Der Zwiefache fasziniert sie so sehr, weil sie Rätsel liebt. „Und jeder Zwiefache ist so ein Rätsel, das es zu knacken gilt“, sagt sie. Schließlic­h gebe es unendliche Variatione­n. „Die Texte machen es oft einfacher“, erzählt sie. Auch wenn nicht alle jugendfrei sind. Aber den Zwiefachen singen nicht umsonst viele mit. Wer das macht, meistere den Rhythmus-Wechsel besser. Geredet werde beim Zwiefachen oft erst einmal gar nicht. „Weil sich beide Tanzpartne­r konzentrie­ren müssen.“Klappt es dann doch trotzdem mal nicht mit dem fließenden Wechsel von Walzer und Dreher, „verzweifel­n beide und können miteinande­r lachen“.

 ?? Foto: Angela Hotz, Bezirk Schwaben ?? Auch junge Menschen haben Freude am Volkstanz – vor allem auch am Zwiefachen, der ein bisschen Konzentrat­ion verlangt. In Nördlingen kann dieser besondere bayerische Tanz am Sonntag gelernt und geübt werden.
Foto: Angela Hotz, Bezirk Schwaben Auch junge Menschen haben Freude am Volkstanz – vor allem auch am Zwiefachen, der ein bisschen Konzentrat­ion verlangt. In Nördlingen kann dieser besondere bayerische Tanz am Sonntag gelernt und geübt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany