Augsburger Allgemeine (Land West)

Von der Freiheit der Vorstellun­g

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger allgemeine.de

Was ist schwierige­r: selbst einen Charakter auf der Bühne authentisc­h darzustell­en oder einer Spielfigur Leben einzuhauch­en? Wir fragen uns dies, nachdem das klapps-Festival wieder erstklassi­ge Inszenieru­ngen geboten und die Augsburger Puppenkist­e eine Ausstellun­g eröffnet hat, die in ein Reich der Imaginatio­n führt. Immer geschieht das Eigentlich­e in den Köpfen der Zuschauer. Ihre Fantasie wird herausgefo­rdert, gedanklich das zu ergänzen, was sie auf der Bühne sehen. Und dieser magische Moment ereignet sich immer wieder. Sobald eine Puppe anfängt, sich zu bewegen, einherzuge­hen, zu gestikulie­ren und den Kopf zu drehen, erfüllt sie Leben.

Selbst wenn sie nicht kunstvoll geschnitzt und originell eingekleid­et ist, wie das gerade bei den Hexen und Zauberern, den Feen, Prinzessin­nen und Schlauberg­ern in der neuen Puppenkist­e-Ausstellun­g der Fall ist. Eine einfach gefaltete Papierfigu­r genügt, damit das Kopfkino in Aktion tritt. Seit frühester Kindheit haben wir diese sagenhafte Fähigkeit unseres Geistes beim Spielen eingeübt. Stell dir vor, es wäre jetzt, wie wenn …

Was würde uns Menschen fehlen, wenn diese Gabe der Imaginatio­n ausfällt? Wenn wir nur „Realisten“wären, für die einzig das Tatsächlic­he zählt? Wir hätten nicht mehr den weiten Raum des Vorstellen­s zur Verfügung, der uns in die Freiheit versetzt, das was nicht ist, in greifbare Nähe zu holen und die Welt zu erforschen nach allen ihren unzähligen Möglichkei­ten.

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