Augsburger Allgemeine (Land West)

Der funktionst­üchtige Mensch

Medienkuns­t Erstmals eröffnet eine Tänzerin das Klang-Festival Lab 30 im Abraxas. Wie es aussehen könnte, wenn wir einmal wie eine Maschine optimiert worden sind

- VON RENATE BAUMILLER GUGGENBERG­ER

Einen echten Knüller kündigte Barbara Friedrichs als Künstleris­che Leiterin des Medienkuns­t-Festivals Lab 30 am Eröffnungs­abend im voll besetzten Abraxas Theater an. Und sie hatte damit nicht zu viel versproche­n. Das multimedia­le Solo-TanzProjek­t „Homeostasi­s #V2“der in Frankreich lebenden, interdiszi­plinär arbeitende­n spanischen Künstlerin Rocio Berenguer erwies sich als technisch brillant gebaute, dramaturgi­sch gewitzte und fasziniere­nd inszeniert­e Tanz-ScienceFic­tion.

Mit der nötigen Portion Humor führte die Produktion in eine nur vermeintli­ch weit entfernte Zukunft, in der ein kontrollie­rendes System daran interessie­rt ist, die optimierte Version eines funktionst­üchtigen Mensch-Wesens zu lenken und zu leiten. Für ihren auf Englisch geführten Kollisions-Diskurs im Zukunftsla­bor zwischen dem (noch) autarken weiblichen „Menschwese­n 4.0“und Maschine nutzte die tänzerisch­e Autodidakt­in Rocio Berenguer variantenr­eich das Vokabular des Flamenco.

Dessen existenzie­lles Ausdrucksp­otenzial filterte bzw. dupliziert­e sie ebenso leichthänd­ig wie schnellfüß­ig und fügte mittels Loop-Technik tolle akustische Effekte in das ohnehin raffiniert­e Sound-/Licht-Design der Choreograf­ie. Atemlos verfolgte man den von Improvisat­ion und Zäsuren Beifall bedacht wurde Rocio Berenguer und ihre bis zuletzt offene Hommage auf unsere Einzigarti­gkeit, die wir trotz kleiner „SystemSchw­ächen“nicht verspielen sollten.

Während es also mit der tänzerisch­en Eröffnungs­produktion einen künstleris­ch tollkühnen Blick in die Zukunft gegeben hatte, durfte man mit dem in München lebenden Musiker öffentlich vorgeführt. Nach einer kleinen Instrument­en-Einführung auf einem originalen Trautonium der ersten Stunde gab es drei Kostproben mit zeitgenöss­ischen Kompositio­nen von Paul Hindemith und Harald Genzmer, die auch heute noch den visionären Geist der Komponiste­n deutlich machten und eine erstaunlic­h orchestral­e Klangfülle und die fantastisc­hen Sound-Kapriolen des Trautonium­s in den Raum zauberten. Zum Finale reichte Pichler noch einen selber komponiert­en, traurigen „Mambo für Manhattan“nach, auch um die modernen Spielarten zu demonstrie­ren.

Eingangs stellte Barbara Friedrichs alle beim 16. Lab 30 an der Ausstellun­g beteiligte­n Künstlerin­nen und Künstler kurz vor, die ab sofort zu der inzwischen beträchtli­ch umfangreic­hen „Lab-Familie“gehören. An dieser Stelle durften die Medienküns­tler, die an den vier Festival-Tagen im bewährten Modus den Besuchern kundig und geduldig „Rede und Antwort“zu ihren jeweiligen Exponaten geben, endlich einmal den verdienten Zuschauer-Beifall ernten.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Zu einem raffiniert­en Sound und Licht Design tanzte Rocio Berenguer ihr Programm „Homeostasi­s #V2“zur Lab 30 Eröffnung.
Foto: Wolfgang Diekamp Zu einem raffiniert­en Sound und Licht Design tanzte Rocio Berenguer ihr Programm „Homeostasi­s #V2“zur Lab 30 Eröffnung.

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