Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein wahres Bilderbuch der Geschichte
Heimat Werner Malcher stellt die Burgauer Landtafel in Dinkelscherben vor. Die Gäste erfahren auch Historisches über die Reischenau
Dinkelscherben
Dass das Interesse an der Heimatgeschichte nach wie vor sehr groß ist, zeigte sich am voll besetzten Pfarrsaal in Dinkelscherben. Auf Einladung der Gemeindebücherei stellte Werner Malcher die „Burgauer Landtafel“vor, eine außergewöhnlich gestaltete kartographische Karte aus dem frühen 17. Jahrhundert. Dieter Mittermeier, Leiter der Gemeindebücherei, war erfreut, dass alle Plätze besetzt waren. Die 400 Jahre alte Karte wurde von Johann Andreas Rauch (1575-1632), einem Meister der frühen Kartographie, hergestellt. Von den 15 noch erhaltenen Karten ist die Burgauer Landtafel sein größtes Werk und misst 2,92 mal 2,77 Meter. Er setzte damit neue Maßstäbe in der Reliefkartographie. Das Original, so Malcher, „schlummert“im Depot des Nationalmuseums in München und kann aufgrund des desolaten Zustandes nicht mehr ausgestellt werden.
Malcher ging zunächst sehr ausführlich auf die historischen Hintergründe und auf die stetig wechselnden Herrschaftsverhältnisse der damaligen Zeit ein, in der Johann Andreas Rauch gelebt hat. So gehörte Burgau zum Herrschaftsbereich der Habsburger. Der Maler erhielt von Markgraf Karl von Burgau 1612 den Auftrag, eine Landtafel der Markgrafschaft zu erstellen mit der Angabe aller Handelsstraßen, den einzelnen Orten mit bestehender Häuseranzahl und dem Hinweis, zu welchen Grundherrschaften der jeweilige Ort gehört. Bis zur Fertigstellung benötigte Rauch elf Monate. Nicht nur damit, dass er die Vogelperspektive für seine Karte wählte, sondern dass er diese in 256 Felder und 16 mal 16 Koordinaten einteilte, setzte er neue Maßstäbe. Rauch ist die einzelnen Orte selbst abgegangen, was in seiner Karte in den „schwarzen Punkten“deutlich wird. Damals gab es mit den „Meilenscheiben“sogenannte „Navigationsgeräte“, die genaue Entfernungsangaben im Nah- und Fernbereich enthielten, erklärte der Hobbyhistoriker.
In der Burgauer Landtafel sind auch die Wappen aller 45 Grundherren zahlenmäßig erfasst und bei jedem Ort ist die Zahl angegeben, die zu dem entsprechenden Grundherrn gehört. So konnten die Besucher feststellen, dass Dinkelscherben sowohl zum Herrschaftsbereich des Domkapitels als auch des Hoch- stiftes gehörte. Weiße Inschriften auf der Tafel weisen auf das Jagdrecht des Grundherrn hin.
Nicht zuletzt der Tatsache, dass Johann Andreas Rauch ein lebenslustiger Mensch war, ist es zu verdanken, dass er in seine Karte sogenannte Wimmelbilder aufnahm, in denen er Alltagssituationen aus verschiedenen Bereichen darstellt, die Themen wie Eifersucht, Diebstahl, Brandstiftung und sogar Mord zum Inhalt haben. Ungewöhnlich dabei ist, dass er die Situationen zum Teil aus der Sicht der Erwachsenen und der Sicht der Kinder darstellt.
Abschließend ging Werner Malcher noch genauer auf die Herrschaftsverhältnisse in Dinkelscherben ein. Der Ort bestand zu der Zeit, als die Burgauer Landtafel entstand, aus 63 Häusern, Anried hatte als zweitgrößter Ort 43 Häuser und alle Ortsteile von Dinkelscherben hatten verschiedene Herrschaften. Nach diesen aufschlussreichen Informationen hatten die Anwesenden Gelegenheit, Fragen an den Referenten zu stellen und sich die Karte genauer anzusehen. Dass reichlich davon Gebrauch gemacht wurde, war das Ergebnis eines sehr informativen, interessanten, aber auch spannenden Vortrags.