Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Frage der Woche
PRO
Eigentlich dürfte die Debatte um die Notwendigkeit des Feminismus nicht mehr geführt werden müssen, müsste es selbstverständlich sein, dass zum Beispiel männliche sexuelle Übergriffe nicht über Jahre, manchmal Jahrzehnte aus Angst vor Nachteilen totgeschwiegen werden. Und bitte: Es handelt sich nicht um Kavaliersdelikte, nicht um ein bisschen zu viel Kompliment hier und ein bisschen zu viel Nähe dort von männlicher Seite. Viel mehr zeigt der „Me too“-Aufschrei, wie häufig es zu sexuellen Übergriffen kommt, wie sehr sich Männer dabei auf ihre Machtposition stützen, wie ohnmächtig sich Frauen dadurch als Opfer fühlen.
Solange das so ist, bleibt den Männern nichts anderes, als selbst eine feministische Position einzunehmen und zwar so lange, bis es diesen Typ Mann nicht mehr gibt, diesen Typ, der nach dem Ich-binder-Tollste-Prinzip glaubt, auf alles in der Welt ein natürliches Recht zu besitzen. Dieser Typ Mann ist für Frauen oft eine Katastrophe, weil er ein „Nein“nicht als „Nein“gelten lässt. Er ist gleichzeitig aber auch wirtschaftlich eine Katastrophe, weil er den eigenen Vorteil über alles andere stellt. Man schaue nur auf die Investment-Banker, die vor zehn Jahren fast das ganze Wirtschaftssystem an die Wand gefahren haben, weil ihnen ihre astronomischen Boni über alles andere gingen.
Ja, Frauen sollen genauso häufig in Führungspositionen zu finden sein wie Männer und dabei genauso viel wie Männer verdienen. Und, siehe Boni-Banker: Das wäre für alle von Vorteil. Gleichzeitig sieht man jetzt auch wieder, dass das kein Selbstläufer ist. Im neu gewählten Bundestag ist die Frauenquote von 37 Prozent wieder auf 31 Prozent gesunken. Die alten Strukturen sind langlebig, da hilft nur aktiver Widerstand – als Feminist.