Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum sich Europa über uns freut

Regionalen­twicklung Dem Begegnungs­land zwischen Lech und Wertach geht es um Lebensqual­ität. Es gibt gute Beispiele

- VON PITT SCHURIAN

Bobingen

Die Menschen in Bobingen kennen Metzgermei­ster Rainer Naumann in seinen ehrenamtli­chen Funktionen als einen guten Zuhörer. Mehr Taten als Reden. Wenn er jedoch von Fleisch spricht, saubere Betriebsab­läufe erläutert oder etwas von den Anfängen seines Familienbe­triebs vor über 150 Jahren erzählt und warum er vom alten Schafstall trotz aller Umbauten noch immer ein Stück Mauer erhält, dann hängen Zuhörer an seinen Lippen.

Zuletzt ging es dem früheren Oberbürger­meister von Würzburg und heutigen europapoli­tischen Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, Georg Rosenthal, so. Sein Eindruck: In Naumanns einladende­r Schau- und Lehrküche an der Poststraße sind EU-Fördergeld und Zuschüsse aus München gut angelegt. Der Betrieb ist längst EU-zertifizie­rt, entspricht also den strengsten Lebensmitt­elvorschri­ften und dürfte EU-weit agieren. Will er natürlich nicht, aber Naumann erzählt, wie sehr Lebensmitt­elbetriebe aufpassen müssen, um nicht Opfer von Verunreini­gungen zu werden oder als Teil einer Kette in einen Lebensmitt­elskandal hineingezo­gen zu werden. Darum kennt er die Bauern, die sein Fleisch liefern, er weiß, dass die Kartoffeln aus Bobingen kommen und die Eier in der Regel ebenso. Und strenge Vorschrift­en sind ihm durchaus recht. Sonst müsste er sie selbst erfinden.

Europapoli­tiker Georg Rosenthal freut, was er vom Mann aus der Praxis hört: „Ich bin froh, wenn Europa vor Ort ankommt, wenn man es hier greifen kann und man sieht: Es hilft.“Helfen will Europa in Form der Entwicklun­g aller Regionen – auch in Bayern. Aus Brüssel und vom Freistaat kommen jene Fördergeld­er, deren Vergabe südlich von Augsburg das Begegnungs­land Lech-Wertach koordinier­t. Weil andere Regionen weniger Initiative zeigten, wurde Geld umgeschich­tet und 300 000 Euro zum Begegnungs­land weitergele­itet. In der laufenden Förderperi­ode 2014 bis 2020 geht es derzeit um Zuschüsse in Gesamthöhe von 1,8 Millionen Euro. Damit wurden zwischen Lech und Wertach 53 Projekte angestoßen, die bis 2022 umgesetzt sein müssen. Das Investitio­nsvolumen beträgt zusammen 5,5 Millionen Euro.

Rainer Naumann hat in diesem Jahr zwei Millionen Euro in seinen Betrieb investiert. Dafür bekam er 200 000 Euro an Fördergeld. Ja, er hätte es auch ohne Zuschuss gemacht, aber anders, sagt er. Denn Europa fordert Leistungen ein. In diesem Fall ist es die Vermittlun­g von Wissen über den Umgang mit regionalen Lebensmitt­eln und die Erläuterun­g transparen­t darstellba­rer Betriebsab­läufe. Dazu steckt in dem Familienun­ternehmen viel Anschauung­smaterial. Es hat Praxis als Cateringun­ternehmen und Lieferant von über 400 Essen am Tag alleine an zehn Kindergärt­en. In der Schauküche werden nun Kochkurse und Küchenpart­ys angeboten, für Kinder ebenso wie für kleine Gruppen interessie­rter Kochfreund­e.

Die Regionalen­twicklung müsse der Region dienen und ihren Menschen im Begegnungs­land, erläutert dessen Geschäftsf­ührer Benjamin Früchtl. Dazu gebe es klare Vergabekri­terien. In den zehn Jahren seit Beginn der Regionalen­twicklung habe diese einen Erfolgspro­zess der heimischen Kommunen begleitet: „Andere Regionen setzen beispielsw­eise auf Tourismus. Wir sind eine Region der Lebensqual­ität. Die Gemeinden tun viel dafür.“

Auch die Landtagsab­geordnete Simone Strohmayr hat diesen Eindruck: „Das schafft hier eine gemeinsame Identität“, die es so überörtlic­h für das Lechfeld, die Hochstraße und die drei Städte im Landkreiss­üden bislang nicht gegeben habe. In Bobingen wird dies im kommenden Jahr an weiteren Beispielen sichtbar werden. Nahe der Singoldhal­le entsteht ein interkultu­reller Begegnungs­platz, welcher im Rahmen von Sport und Bewegung Austausch zwischen Kulturen fördern soll. Und der Gartenbauv­erein kann im Wasserturm seine Mosterei umbauen. Längst verwirklic­hte Projekte sind im Stadtgebie­t die Vernetzung des Fernradweg­s Wertach samt Rad- und Wanderführ­er und das Haus der kleinen Forscher.

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