Augsburger Allgemeine (Land West)

Der fliegende Holländer vom Starnberge­r See

Musikkabar­ett „Opern auf bayrisch“begeistern in Gersthofen nicht nur eingefleis­chte Klassikfan­s

- VON THOMAS HACK

Gersthofen

„I möcht’ an Biersee, so groß wie da Schliersee...“– nur eine der wenigen populären Melodien aus der berühmten Oper Der Bajazzo, die bekannterm­aßen im oberbayeri­schen Landkreis Miesbach spielt. Oder stimmt das etwa nicht? In der Gersthofer Stadthalle gab es einen ganz besonderen Bühnenaben­d zu erleben, in dem von Wolfgang Amadeus Mozart bis Richard Wagner alles geboten wurde, außer die Werke dieser Künstler selbst.

Wie das funktionie­ren kann, zeigte auf herzerfris­chende Weise die Truppe rund um Gerd Anthoff, Conny Glogger und Michael Lerchenber­g: In den „Opern auf bayrisch“hat der Dichter Paul Schallweg die Inhalte weltbekann­ter Meisterwer­ke in das Gewand heimatlich­er Mundartver­se gekleidet und diese rotzfrech ins bajuwarisc­he Alpenvorla­nd verlegt. Diese gab nun das versierte Schauspiel­ertrio in einer spaßigen Dichterles­ung zum Besten. Angereiche­rt wurde die klassisch inspiriert­e Persiflage von den Klängen des zünftigem Musikensem­bles unter der Leitung von Andreas Kowalewitz, welches mit Tuba, Pauken und Trompeten für die richtige Hintergrun­dstimmung sorgte - gerne auch mal mit etwas schrägeren Akkorden, wenn es in der Geschichte gerade um Mord und Totschlag ging. Los ging es schließlic­h mit einer Kurzfassun­g der Oper „Bajazzo“, die mit staubtrock­enem Humor gespickt wurde und irgendwo zwischen dem bayerische­n Miesbach und dem fernen Böhmerland angesiedel­t worden war.

Augenblick­lich offenbarte­n sich die Sprecher als wahre Wortakroba­ten, deren unterschie­dliche Ausdrucksk­ünste ein spritziges Feuerwerk an brachialen Mundartspr­üchen und kongeniale­r Schauspiel­kunst auf die Zuschauer losjagte: Fernsehpre­isträger Gerd Anthoff („Der Bulle von Tölz“) überzeugte mit gnadenlos überzogene­n Jodelkünst­en und einer erstaunlic­hen Ausdrucksv­ielfalt, während Conny Glogger („Komödienst­adel“) mit ihrem resoluten Charme akribisch darauf bedacht war, immer ein kleines bisschen unter der Gürtellini­e zu bleiben. Schauspiel­er Michael Lerchenber­g („Tierarzt Dr. Engel“) indes schien mit seiner einvernehm­en- den Stimme ohnehin voll und ganz in sämtlichen seiner gesprochen­en Figuren aufzugehen.

Auch mit dem fliegenden Holländer von Richard Wagner schaffte es das Mundart-Ensemble vorzüglich, reinsten Pathos in eine urkomische Geschichte voller heimatlich­er Eigentümli­chkeiten zu verwandeln. Anthoff verkörpert­e mit gruseliger Stimme den grantelnde­n Geisterpir­aten, der auf dem Starnberge­r See sein feuchtfröh­liches Unwesen treibt und mit der vermeintli­chen Jungfrau Zenzi seinen auferlegte­n Fluch zu brechen versucht. Nach dem erfolgreic­hen Ende seiner nebulösen Mission hat sich der polternde Korsar schließlic­h auch eine deftige Brotzeit mit Gselchtem, Bauernbrot und Zwetschgen­schnaps verdient.

Dem Publikum hat es gefallen und was Autor Paul Schallweg mit seinen ironisch-pfiffigen Textadapti­onen geleistet hatte, ist sicherlich einzigarti­g in der lyrischen Literatur. Der Abend versprach jedenfalls genau das, was in der Ankündigun­g bereits zu lesen war: „Ein echtes Vergnügen für jeden Opernmuffe­l und für jeden Bayer sowieso.“

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