Augsburger Allgemeine (Land West)
Hunde weggenommen: Frauchen klagt
Justiz Sieben Jahre lang gingen bei der Stadt Gersthofen immer wieder Beschwerden ein. Dann zog das Ordnungsamt einen Schlussstrich. Jetzt bekommt die Halterin eine letzte Chance
Einmal wurde eine Frau in die Hand gebissen, ein anderes Mal wurde ein Kind umgerannt. Mal büxten die Vierbeiner aus, mal jagten sie einer Katze hinterher oder sprangen einem Fahrer direkt vors Auto: Immer wieder hagelte es Beschwerden über die nicht angeleinten Hunde einer Gersthoferin. Über einen Zeitraum von sieben Jahre erstreckte sich die Liste der Vorfälle – dann zog das Ordnungsamt der Stadt einen Schlussstrich: Sie ließ der Frau den Jagdhund-Mischling Leon und die Schäferhündin Reanna abnehmen. Feuerwehr und Polizei rückten an und brachten die Tiere ins Heim. Dagegen wehrte sich nun die Frau – teilweise mit Erfolg.
Sie darf zur Probe den JagdhundMischling wieder zu sich holen. Kommt es allerdings innerhalb eines halben Jahres zu neuen Beschwerden, dann ist das Tier wieder weg, und der letzte Bescheid der Behörde greift. Darin heißt es, dass die Frau keine größeren Hunde mehr halten darf.
Ob auch die Schäferhündin Reanna wieder zurück zu Frauchen kann, ist offen: Sie muss zunächst versuchen, einen anderen geeigneten Halter zu bekommen. Oder sie übereignet das Tier dem Heim, damit die Einrichtung vermitteln kann. Bewährt sich die Frau mit Leon, dann kann sie frühestens in einem halben Jahr wieder wegen ihres zweiten Lieblings anfragen. So wurde es gestern in einem Vergleich am Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg festgehalten.
Die Frau räumte in der Verhandlung Fehler ein. Die jüngsten Vorfälle seien passiert, weil sie einem Bekannten die Aufsicht übertragen hatte. Er sollte auf Leon und Reanna aufpassen, während sie zur Arbeit ging. Doch der Plan ging schief – der Bekannte kümmerte sich nach Angaben der Frau nicht wirklich um die Tiere. Auch angeleint habe sie die Tiere nicht immer. Doch genau das muss sie im Stadtgebiet, wie der Vorsitzende Richter Nikolaus Müller klarmachte. Er redete ihr ins Gewissen: „Sie lassen das alles über Jahre schleifen, das ist das Problem. Es hat sich nichts zum Positiven verändert.“Belehrungen der Stadt fruchteten nicht, Anordnungen liefen ins Leere, Bußgelder wurden nicht bezahlt, selbst die Hundesteuer ist noch fällig: Neben der aktuellen Rechnung des Tierheims sind rund 7000 Euro aufgelaufen. „Das ist doch ein Wahnsinnsgeld“, sagte Müller, der der Klägerin verdeutlichte: Es sei ausgeschlossen, dass sie beide Hunde auf einmal zurückbekommt. Die Frau sagte daraufhin unter Tränen: „Es ist nicht schön, wenn einem das Geliebte weggenommen wird.“
Im Tierheim könnten die Hunde jetzt einen viel größeren Schaden nehmen: Wenn sie dort zu sehr isoliert würden, dann könnte das ihre Aggressionen schüren. Niemandem sei geholfen, wenn die Vierbeiner dort nach einigen Jahren eingehen. Und: Eigentlich sei Reanna, auf die sich die Mehrzahl der Beschwerden bezog, immer lieb und nett gewesen – wohl bis zu dem Zeitpunkt, als sie mehrfach von einem Artgenossen angegriffen worden war. So erklärte es die Hundehalterin, die ihre Schäferhündin am liebsten dem Gericht vorgeführt hätte. Doch davon wollte Richter Müller schnell Abstand nehmen. „Hunde kommen gar nicht durch die Eingangskontrolle“, sagte er. Und: Nicht der Hund sei das eigentliche Problem, sondern der Halter, der eben das Türchen offen lasse. Müller sagte, dass der Fall ungewöhnlich sei: Kommunen entwickelten in diesem Bereich nur selten Eigeninitiative. Und wenn, dann nur bei vielen Beschwerden.
Die gab es vor eineinhalb Jahren auch bei einem Hund in einem Weiler bei Biberbach. Die Gemeinde wollte per Bescheid erreichen, dass der Besitzer den Hund auf dem Hof anleint. Durch das Anwesen verläuft ein öffentlicher Geh- und Radweg – doch das war dem Appenzeller gleich. Mal lief er angeblich einem Mountainbiker hinterher, mal soll er eine Joggerin angesprungen haben. Immer wieder kam es zu Beschwerden, weshalb die Gemeinde schließlich einschritt. Die Hundebesitzer klagten gegen den Bescheid und bekamen nicht recht.
Der Vorsitzende Richter Nikolaus Müller leitete damals die Verhandlung und stellte klar: Hunde einer gewissen Größe müssen angeleint sein, wenn von ihnen eine Gefahr ausgeht. Würde der Hund auf einem normalen Grundstück leben, dann müsste ein Zaun her. Für die Hofstelle komme der freilich nicht infrage. Aber eine Leine.