Augsburger Allgemeine (Land West)

Großer Ärger mit Mietnomade­n

Betrug Sie zahlen nicht oder vermüllen die Wohnung – der finanziell­e Schaden ist oft enorm. Ein Mann hat gleich zweimal nacheinand­er Probleme mit seinen Mietern. Wie man sich vor solch unerwünsch­ten Gästen schützen kann

- VON MICHAEL LINDNER

Landkreis Augsburg

Josef D.* sitzt vor dem Gerichtssa­al, in den Händen hält er mehrere Dutzend Briefe. Es sind fast ausnahmslo­s Mahnungen. Die Forderunge­n richten sich nicht gegen Josef D., sondern gegen seine ehemalige Mieterin. Gesehen hat er die 38-Jährige schon seit Monaten nicht mehr, geblieben sind ihm nur die an sie zugestellt­en und in der Wohnung zurückgela­ssenen Briefe. Geblieben sind ihm auch jede Menge Ärger und ein noch viel größerer finanziell­er Schaden.

Josef D. ist sauer, wenn er an die Frau denkt. Sieben Monate lang lebte die Mieterin mit ihren beiden Kindern in der mehr als 100 Quadratmet­er großen Wohnung in einer ländlichen Gemeinde im Kreis Augsburg. Etwa 700 Euro betrug die monatliche Miete. Das Problem: Josef D. hat keinen einzigen Cent davon je gesehen. Auch die Kaution wurde nicht hinterlegt. Deswegen ärgert sich der Senior über sich selbst. Nie hätte er auf die Frau hereinfall­en dürfen, sagt Josef D. – und schüttelt den Kopf. Er habe ihr nicht zugetraut, sich vor der Miete zu drücken: „Sie hat einen vernünftig­en Eindruck gemacht. Sie hat mir auch gezeigt, wie viel sie verdient.“Dass sie sofort einziehen und die Kaution etwas später hinterlege­n wollte, habe ihn nicht stutzig gemacht, sagt er. Sie habe die Verzögerun­g mit einer größeren Zahlung an ihre Versicheru­ng erklärt. Eine Lüge, wie sich herausstel­lte.

Gabriele Seidenspin­ner kennt solche Fälle. Sie ist Rechtsanwä­ltin und Geschäftsf­ührerin beim Eigentümer­verband Haus & Grund in Augsburg. Ihre Erfahrung zeigt: „Den Leuten sieht man nicht an, dass sie die Miete nicht zahlen wollen.“Dabei gibt es einige Tipps, wie sich Vermieter vor ungebetene­n Gästen schützen können. Hellhörig sollte man werden, wenn Interessen­ten die Mitleidssc­hiene ausspielen möchten oder – das andere Extrem – Druck aufbauen. „Schließen Sie nur mit jemandem einen Mietvertra­g ab, mit dem Sie persönlich gut können und Sie ein gutes Gefühl haben“, sagt Seidenspin­ner.

Sich allein auf seine Menschenke­nntnis zu verlassen, reicht natürlich nicht. Deswegen rät die Anwältin, die Bonität des potenziell­en Mieters zu prüfen. Die Schufa-Auskunft habe sich als gängiges Mittel durchgeset­zt. Aber auch Gehaltsabr­echnungen, eine Selbstausk­unft des Interessen­ten sowie eine Nachfrage beim derzeitige­n Vermieter könne die Gefahr von Mietnomade­n reduzieren. Eine 100-prozentige Sicherheit werde es aber nie geben. Seidenspin­ner erzählt von einem Fall, bei der sich ein Mann über einen potenziell­en Mieter erkundigte und der bisherige Vermieter nur positiv über ihn sprach. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Vermie- ter gelogen hat – nur, um den Mietnomade­n loszuwerde­n.

Eine verlässlic­he Statistik über Mietnomade­n gibt es nicht, Schätzunge­n zufolge beläuft sich der jährliche Schaden aber auf rund 200 Millionen Euro. Bei Josef D. lag die Summe im fünfstelli­gen Bereich, den genauen Betrag weiß er nicht. Die 38-jährige ehemalige Mieterin zahlte nicht, die Wohnung war aber immerhin nicht zugemüllt, sagt er. Das war bei einer vorherigen Mieterin ganz anders. Die Miete wurde zwar vom Arbeitsamt pünktlich bezahlt, allerdings hinterließ die Mutter zweier Kinder die Wohnung in einem „fürchterli­chen Zustand“. Der Senior musste zwei Container mit insgesamt 16 Kubikmeter­n Fassungsve­rmögen kommen lassen, um den ganzen Müll zu beseitigen. Die Wohnung ließ er danach renovieren – ein paar Jahre früher als geplant.

Nach einer Studie der Uni Bielefeld liegt der Schaden im Einzelfall meist zwischen 2500 Euro und 10000 Euro, in jedem vierten Fall sogar darüber. Im Schnitt dauerte es rund 15 Monate bis ein Mieter, der die Mietzahlun­gen in den ersten drei Monaten nach Einzug eingestell­t hatte, aus der Wohnung geklagt und diese geräumt war, so das Ergebnis der Studie. Den Vermieter kann das schnell in den finanziell­en Ruin stürzen. Die Kosten für Anwalt und Gericht bei einer Räumungskl­age, Zwangsvoll­streckung, Renovierun­g und Einlagerun­g des Mobiliars können bei einer kleinen Wohnung dadurch schnell 15 000 Euro und mehr betragen, rechnet Expertin Seidenspin­ner vor.

Die Anwältin spricht sich für folgendes Vorgehen bei ausbleiben­der Zahlung aus: Ist der Mieter eine Monatsmiet­e im Rückstand, sollte man eine Abmahnung schicken; fehlen zwei Monatsmiet­en, kann man fristlos kündigen und eine Räumungsfr­ist anberaumen. „Dieses Vorgehen ist nicht unsozial, denn der Mieter kann sich retten, indem er alle Rückstände begleicht“, sagt Seidenspin­ner. Ignoriert der Mieter auch die Kündigung, ist die Räumungskl­age der einzige Weg – eine solche kann sich allerdings in die Länge ziehen.

Bei Josef D. ist der Albtraum nun vorbei. Die 38-jährige Mietnomadi­n erschien zum zweiten Mal nicht zu der Verhandlun­g am Augsburger Amtsgerich­t. Richter Stefan Lenzenhube­r erließ gegen sie wegen Betrugs einen Strafbefeh­l in Höhe von 2700 Euro. Josef D. hat inzwischen neue Mieter gefunden – sie zahlen regelmäßig und machen keine Probleme. »Kommentar

*Name von der Redaktion geändert

 ?? Foto: Josef D. ?? Eine Mieterin hat die Wohnung zugemüllt und in diesem Zustand hinterlass­en. Kühl und Gefriersch­rank sind verschimme­lt, Möbel beschädigt und in einigen Zimmern stapelt sich der Müll.
Foto: Josef D. Eine Mieterin hat die Wohnung zugemüllt und in diesem Zustand hinterlass­en. Kühl und Gefriersch­rank sind verschimme­lt, Möbel beschädigt und in einigen Zimmern stapelt sich der Müll.

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