Augsburger Allgemeine (Land West)

Hier helfen sich die Nachbarn gegenseiti­g

Leben Der Generation­enpark in Königsbrun­n will mehr sein als nur eine Anlage mit bezahlbare­n Wohnungen. Die Idee kommt an, das Modell ist vom Sozialmini­sterium ausgezeich­net. Warum der Leiter dennoch vor zu hohen Erwartunge­n warnt

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n

Der Mehrgenera­tionenpark ist kein Paradies, keine heile Welt ohne Probleme – Achim Friedrich, der Leiter der Königsbrun­ner Wohnanlage, warnt vor zu großen Erwartunge­n. Trotzdem stellen die Häuserzeil­en im Zentrum der größten Stadt im Landkreis Augsburg eine Besonderhe­it dar: Dort wird nicht nur bezahlbare­r Wohnraum angeboten, sondern auch allerlei Hilfestell­ungen für Menschen im Alter. Und nicht nur für sie. Die Unterstütz­ung kommt dabei nicht „nur“von Angestellt­en, sondern zu allererst von den Nachbarn. Denn das Wort „Hausgemein­schaft“wird hier gelebt. Von den Königsbrun­ner Erfahrunge­n wollen andere Kommunen lernen.

250 Menschen leben in den 90 Wohnungen im Mehrgenera­tionenpark. 56 Prozent der Bewohner sind Erwachsene zwischen 18 und 59 Jahren, 14 Prozent Senioren über 60, sechs Nationalit­äten sind vertreten. Das ganze Haus ist barrierefr­ei errichtet, sechs Wohnungen für die Bedürfniss­e von Rollstuhlf­ahrern ausgelegt. Senioren leben neben jungen Familien, Menschen mit Handicap neben Nicht-Behinderte­n. Ein Teil der Wohnungen ist sozial gefördert. Dazu gibt es einen großen Gemeinscha­ftsraum mit Küche, einen Waschsalon, Fitnessger­äte, eine Dachterras­se und eine Gästewohnu­ng – all das können die Bewohner kostenlos nutzen, müssen sie aber nicht. Friedrich: „Wir wollen Begegnunge­n ermögliche­n und bieten dafür Gelegenhei­ten an, aber niemand wird gezwungen, teilzunehm­en.“2014 gewannen die Königsbrun­ner den Miteinande­r-Preis des bayerische­n Sozialmini­steriums.

Zwei Bereiche machen den Generation­enpark für Friedrich besonders: seine Zukunftsfä­higkeit und eine gepflegte Nachbarsch­aft. Zukunftsfä­hig macht die Wohnanlage ihre Lage und die Infrastruk­tur: Einkaufsmö­glichkeite­n, Schulen, Kindergärt­en, Freizeitan­gebote, Bushaltest­ellen – alles ist schnell zu Fuß erreichbar. „In Dörfern ist das zum Beispiel oft schon seit Jahren nicht mehr gegeben. Und dadurch wird es für viele Menschen im Alter schwierig, dort wohnen zu bleiben“, sagt Friedrich.

Punkt „Gute Nachbarsch­aft“spielt schon bei der Vergabe der Wohnungen eine Rolle. In Gesprächen wird auch das Interesse abgefragt, Teil der Hausgemein­schaft zu sein. „Bei uns kennt man sich, weiß von seinem Nachbarn“, sagt Achim Friedrich. So können die Nachbarn schnell helfen, wenn Not am Mann ist. Das funktionie­re gut, sagt der Leiter. Zuletzt musste ein älterer Mann nach einem Verkehrsun­fall ins Krankenhau­s. Seine Frau sitzt im Rollstuhl, den Wechsel vom elektrisch betriebene­n in den normalen Stuhl schafft sie aber nicht alleine. Hier helfen jetzt die Nachbarn, andere bieten an, für die Frau einzukaufe­n. Und der Park organisier­t einen Fahrdienst für die Frau zum Krankenbes­uch, ergänzt Friedrich. „Wenn wir diese beiden Punkte, Zukunftsfä­higkeit und gute Nachbarsch­aft, dauerhaft hinbekomme­n, ist es ein super Wohnen.“Mit dem bisher Erreichten ist man in Königsbrun­n zufrieden.

Das Schlimmste, was einem Projekt wie dem Generation­enpark passieren könne, sei eine Überfracht­ung mit Erwartunge­n, sagt Friedrich. Streit unter Nachbarn gebe es, auch sei aus dem Gemeinscha­ftsraum schon einmal das Besteck verschwund­en – obwohl bedürftige­n Bewohnern auch bei solchen NotlaDer gen Hilfe zur Verfügung stünde. Bewohner sind auch schon frustriert wieder ausgezogen: „Das waren Menschen, die sich engagiert und viel gegeben haben. Doch sie haben das von den anderen Bewohnern auch erwartet. Das hat nicht funktionie­rt“, sagt Achim Friedrich.

Trotz der kleinen Schwächen gibt es Warteliste­n für alle Wohnungen, Interessen­ten melden sich aus dem ganzen Bundesgebi­et: „Gerade Menschen, die nicht aus der Region kommen, schätzen, dass für den Notfall auch Ersatzgroß­eltern bereitsteh­en.“Interessen­ten bewerben sich bei der Königsbrun­ner Wohnungsba­ugesellsch­aft GWG und geben eine Selbstausk­unft ab. Wenn eine passende Wohnung frei wird, werden Kandidaten zu einem Gespräch eingeladen.

Das Modell des Mehr-Generation­en-Wohnens stößt in der Region auf viel Interesse – mit Blick auf die steigende Zahl an Senioren steigt die Nachfrage nach Wohnkonzep­ten, die es ermögliche­n, das Menschen ihre eigenen vier Wände haben, auch wenn sie nicht mehr so mobil sind. Konkrete Pläne für ähnliche Anlagen hat Achim Friedrich schon für Gersthofen und Augsburg-Göggingen erstellt. Immer wieder gibt es Anfragen und Besuche von Delegation­en – aus Schwabmünc­hen, Landsberg und Neusäß ebenso wie aus Niedersach­sen. Doch auch hier warnt Friedrich vor zu hohen Erwartunge­n: „Wir sind ein Baustein, um die Frage des Lebens im Alter anzugehen. Wir werden aber auch in Königsbrun­n noch einige Ideen mehr brauchen.“

„Bei uns kennt man sich, weiß auch von seinem Nachbarn.“Achim Friedrich, Leiter des Wohnparks

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Foto: Adrian Bauer 250 Menschen leben im Generation­enpark in Königsbrun­n meist in guter Nachbarsch­aft.

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