Augsburger Allgemeine (Land West)
„Es muss nicht so bleiben, wie es jetzt ist“
Interview Der Augsburger Bistumshistoriker Thomas Groll vertraut auf Impulse aus der Geschichte
Warum braucht die Diözese Augsburg einen Bistumshistoriker? Schreiben Sie die offizielle Darstellung?
Thomas Groll: Wir leben aus der Geschichte heraus. Wir können die Gegenwart und die Zukunft nur gestalten, wenn wir wissen, woher wir kommen. Als vom Bistum Beauftragter hat mein Wirken immer offiziellen Charakter. Aber es gibt nur die eine Geschichte. Auch als Bistumshistoriker werde ich immer kritisch forschen, die Glanzpunkte beleuchten, mich aber auch mit den Schwierigkeiten der Kirchengeschichte auseinandersetzen.
Vor Ihnen liegt ein weites Feld. Wie bewältigen Sie zwei Jahrtausende Augsburger Kirchengeschichte?
Groll: Bei Jubiläen nehmen wir immer einen bestimmten Zeitabschnitt in den Blick. Und weil sich diese der Reihe nach durch den gesamten Zeitablauf bewegen, gibt es irgendwann einen Gesamtüberblick. Und ich muss nicht alles alleine tun. Im Bistumsgeschichtsverein bewältigen wir gemeinsam die Aufgaben.
Welche Epochen des Bistums Augsburg halten Sie für besonders interessant?
Groll: Es gibt einige Bereiche, die noch nicht so gut erforscht sind. Ich würde mir wünschen, dass jüngere Kräfte sich für die weißen Flecken der Bistumsgeschichte interessieren. Zwischen der Reformationszeit und der Säkularisation etwa gibt es noch eine Reihe von Bischöfen, die nicht behandelt sind. Aber wir sollen ja nicht nur die Bischöfe in den Blick nehmen, sondern die gesamte Entwicklung in der Diözese.
Ihr Dienstsitz ist das neue Bistumsarchiv bei St. Joseph in Oberhausen. Welche Möglichkeiten für die Forschung bietet die viel geräumigere Unterkunft für die Überlieferung?
Groll: Wir haben hier bessere Lagerungsmöglichkeiten, auch für unsere eigenen Bestände. Aber auch der direkte Zugang ins Archiv und der Zugriff auf die Handbibliothek des Bistumsarchivs erleichtert das Arbeiten durchaus.
Im Festvortrag zum 50-jährigen Jubiläum des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte betonte Ihr Kollege Franz Xaver Bischof, stärker auf Langzeitprozesse der Kirchengeschichte zu achten samt aller Brüche und Neuanfänge. Das klingt völlig anders als die hergebrachte Urkundenund Aktenhuberei?
Groll: Selbstverständlich. Früher hat man sich von einem Datum zum anderen gehangelt, sehr orientiert an der Kirchenleitung. Inzwischen findet man, es ist besser, das Ganze in den Blick zu nehmen. Manchmal ist es auch viel spannender zu betrachten, wie der Glaube vor Ort, etwa in einem Dorf, gelebt wurde und nicht immer nur auf den Bischof zu blicken. Nur wenn wir in großen Zusammenhängen die Entwicklungen herausarbeiten, ist Geschichte für breite Kreise interessanter, weil man Impulse für die Zukunft herauslesen kann. Wenn man sieht, dass es nicht immer so war, kann man daraus schließen: Es muss vielleicht nicht alles so bleiben, wie es jetzt ist.
Könnte eine solche Orientierung den Verein für Bistumsgeschichte attraktiver für jüngere Mitglieder machen?
Groll: Wenn es uns gelingt zu zeigen, dass Geschichte eben nicht nur ein Faktenwissen der vergangenen Daten und Ereignisse ist, wenn gerade Entwicklungen aufgezeigt werden und Impulse für die Zukunft zu sehen
sind, könnte ich mir vorstellen, dass wir dafür wieder mehr junge Menschen begeistern können.
Seit diesem Jahr gehören Sie selbst dem Domkapitel an, dessen Geschichte Sie schon Ihre Doktorarbeit widmeten. Verändert dieses vertiefte Wissen Ihren Blick auf die Institution?
Groll: Es ist schon etwas anderes, wenn man selbst diesem altehrwürdigen Gremium angehört – mit bedeutenden Persönlichkeiten wie etwa im 19. Jahrhundert dem Dichter Christoph von Schmid oder dem Bibelübersetzer Joseph von Allioli. Wie sich heute seine Aufgaben geändert haben und wie das Domkapitel arbeitet, das finde ich sehr faszinierend. Interview: Alois Knoller O
Jahresversammlung des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte ist am Samstag, 25. November, um 10.30 Uhr im Haus St. Ulrich mit einem Vortrag.