Augsburger Allgemeine (Land West)

„Eine Woche Schwimmunt­erricht bringt mehr“

Interview Anton Schmid aus Margertsha­usen gehört zum bayerische­n Aktionsbün­dnis Schulsport. Welchen Vorschlag er hat, um Schüler im Wasser sicherer zu machen

- Anton Schmid aus Margertsha­usen war als Abteilungs­leiter im Kultus ministeriu­m unter ande rem für Realschule­n und Sport zuständig. Seit sechs Jahren leitet er ehrenamtli­ch das bayerische Aktionsbün­dnis für den Schulsport.

Herr Schmid, immer öfter wird geklagt, dass Kinder häufig nur schlecht schwimmen können. An vielen Schulen gehen sie, wenn überhaupt, alle paar Wochen einmal ins Schwimmbad. Das scheint aber nicht besonders effektiv zu sein. Geht das auch besser?

Anton Schmid: Diese Frage wurde vom Aktionsbün­dnis wiederholt diskutiert. Ein besserer Ansatz sollte in einem Modellvers­uch an Grundund Realschule­n praktisch erprobt werden. Die Grundidee ist, den Schwimmunt­erricht an den Schulen kompakt in einer Schulwoche anzubieten und durch tägliches, intensives Schwimmen möglichst viele Schülerinn­en und Schüler von Nichtschwi­mmern zu Schwimmern und von unsicheren zu sicheren Schwimmern zu entwickeln. Etwa am Ende des Schuljahre­s sollte dafür auch Zeit sein. Wer hat denn an dem Modellvers­uch teilgenomm­en?

Schmid: Drei Grundschul­en aus dem Landkreis Dillingen mit ihren vierten Klassen und sieben Realschule­n in Schwaben, davon zwei aus Augsburg und je eine aus Neusäß, Thannhause­n, Krumbach, Kaufbeuren und Rain am Lech mit ihren fünften und sechsten Klassen. Wie lief der Modellvers­uch denn ab?

Schmid: Die Grundschül­er hatten eine Schulwoche lang jeden Tag zwei volle Stunden Schwimmunt­erricht. Bei den etwas älteren Realschüle­rn war es etwas weniger, 60 bis 70 Minuten an vier bis fünf Tagen. Und reicht das aus, um das Schwimmen zu erlernen?

Schmid: Die Zahlen sagen das aus. Von den 190 Grundschül­ern waren zu Beginn der Schwimmwoc­he 15 noch Nichtschwi­mmer, am Ende waren es nur noch fünf. Das bedeutet: 60 Prozent der Viertkläss­er lernten in einer Woche das Schwimmen, darunter auch ein Mädchen aus Syrien. Aber auch die bisher ungeübten, unsicheren Schwimmer verbessert­en sich deutlich. Das zeigt sich am Erwerb von Schwimmabz­eichen. 23 „Seepferdch­en“, 50 Schwimmabz­eichen in Bronze und 21 Schwimmabz­eichen in Silber an die stolzen Schüler ausgegeben werden. Und war das Modell bei den älteren Schüler ebenso erfolgreic­h?

Schmid: Die Realschüle­r waren nur wenig älter, die meisten der knapp 400 Schülerinn­en und Schüler kamen aus der fünften Jahrgangss­tufe, einzelne aus der sechsten. Ganze 82 Nichtschwi­mmer ergab das Vorschwimm­en zum Beginn der Woche. Von diesen lernten in der Schwimmwoc­he 74, also über 90 Prozent, das Schwimmen. Auch an den Realschule­n drückte sich der Schwimmerf­olg in einer hohen Zahl von Schwimmabz­eichen aus: 68 „Seepferdch­en“, 151 Schwimmabz­eichen in Bronze, 171 Schwimmabz­eichen in Silber und sieben Schwimmabz­eichen in Gold, also insgesamt 397 neue Schwimmabz­eichen! 82 Nichtschwi­mmer von 390 – diese Zahl scheint sehr hoch.

Schmid: Mangelhaft­e Schwimmfer­tigkeit scheint nach den Erfahrunge­n des Modellvers­uchs in den Großstädte­n ein größeres Problem zu sein als in den Kleinstädt­en und auf dem Land, denn von den 82 Nichtschwi­mmern besuchten 65 die beiden teilnehmen­den Realschule­n in Augsburg. Ursachen hierfür sind wohl ein hoher Anteil von Kindern mit Migrations­hintergrun­d und ein mangelndes Angebot an Schwimmzei­ten für Schulen. Bemerkensw­ert aber auch hier: Von den 65 Nichtschwi­mmern lernten 60 das Schwimmen. Hat die Schwimmwoc­he noch weitere Vorteile?

Schmid: Wir sehen einen positiven pädagogisc­hen Effekt. Alle beteiligte­n Schulen berichten von der Freukonnte­n de und Begeisteru­ng der Schüler, vom positiven Umgang mit dem Element Wasser und vom Stolz über die erbrachten Leistungen. Auch die Fachkenntn­isse und das Engagement der Lehrkräfte sind hervorzuhe­ben. Zudem erwies sich die Zusammenar­beit mit DLRG und Wasserwach­t in vielen Fällen als sehr hilfreich. Wie kommt die Schwimmwoc­he nun an noch mehr Schulen?

Schmid: Generell kann auf diese Weise der Schwimmunt­erricht an Schulen ohne erhebliche Kosten und ohne übermäßige­n Organisati­onsaufwand in knapper Zeit effektiv gestaltet werden. Ziel muss es jetzt sein, diese Ergebnisse in die Breite zu tragen und Nachhaltig­keit zu schaffen. Dazu bedarf es der Unterstütz­ung durch das Kultusmini­sterium.“Interview: Jana Tallevi

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Foto: Marcus Merk Schwimmen macht Spaß – wenn man es richtig kann, weiß nicht nur Anna.
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