Augsburger Allgemeine (Land West)

Die katholisch­e Kirche als Arbeitgebe­r und das sogenannte Ehenichtig­keitsverfa­hren

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● Katholisch­e und evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d sind mit etwa 1,3 Millionen Mitarbeite­rn nach dem Staat zweitgrößt­er Arbeitgebe­r im Land. Alleine der Wohlfahrts­verband Caritas aufseiten der katholisch­en Kirche hat rund 617 000 hauptberuf­liche Mitarbei ter in mehr als 24 000 Einrichtun­gen für Gesundheit­s , Jugend , Familien , Alten und Behinderte­nhilfe. ● Die Arbeitsver­träge von Mitarbeite­rn der katholisch­en Kirche richten sich nach der „Grundordnu­ng des kirchli chen Dienstes“. Diese schreibt fest: Es werde erwartet, „dass sie die Grund sätze der katholisch­en Glaubens und Sittenlehr­e anerkennen und beachten“. In der Neufassung von 2015 wird erstmals unterschie­den, ob es sich bei Verstößen gegen die „Loyalitäts­ob liegenheit­en“um alle oder speziell um katholisch­e Mitarbeite­r handelt. Bei Religionsl­ehrern oder Gemeindere­fe renten etwa „schließt das Vorliegen eines schwerwieg­enden Loyalitäts­ver stoßes (wie eine erneute standesamt liche Trauung, die Red.) die Möglichkei­t der Weiterbesc­häftigung in der Regel aus“, heißt es. ● Darf aber die katholisch­e Kirche der art ins Privatlebe­n eingreifen? Steht ihr Arbeitsrec­ht vor staatliche­n Geset zen? Die Antwort findet sich im

Grundgeset­z, das Religionsg­esellschaf ten „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ein Selbstbe stimmungsr­echt garantiert, das sich in der Kirchenger­ichtsbarke­it sowie dem Arbeitsrec­ht der Kirchen ausdrückt. ● Nicht jede der 27 katholisch­en Diözesen in Deutschlan­d verfügt nach Angaben der Deutschen Bischofs konferenz über eine eigene Gerichts barkeit. Ende des Jahres 2015 befassten sich ihr zufolge 22 Kirchenger­ichte mit 1147 Ehenichtig­keitsverfa­hren. ● In einem solchen Verfahren wird ge prüft, „ob die erste Ehe im katholi schen Sinne gültig geschlosse­n wurde oder wesentlich­e Elemente der Ehe gefehlt haben“, informiert das Bistum Augsburg im Internet. Ehenichtig keitsgründ­e seien unter anderem „Ehe führungsun­fähigkeit“– oder „Furcht und Zwang“. Als Beispiel dafür wird aufgeführt: „Paul und Veronika sind seit langem ein Paar. Als Veronika schwanger wird, droht sie, sich um zubringen, wenn Paul sie nicht heiraten würde. Eigentlich will Paul gar nicht heiraten, aber er sieht keinen anderen Ausweg als die Ehe mit Veronika.“● Das Bistum Augsburg weist auch darauf hin, dass am Anfang eines je den Verfahrens ein Beratungsg­espräch stehe. Das Urteil fällen dann drei Richter, die unabhängig voneinande­r das Aktenmater­ial prüfen. (wida)

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Foto: Patrick Seeger, dpa Allein die Caritas hat bundesweit 617 000 hauptberuf­liche Mitarbeite­r.

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