Augsburger Allgemeine (Land West)

Friedrich Merz mischt sich wieder ein

Union Merkels alter Gegenspiel­er kritisiert den Kurs der CDU-Chefin und spricht vielen Konservati­ven aus der Seele

- VON MICHAEL POHL

Augsburg

Er gilt noch immer als einer der klügsten Köpfe der CDU. Und besonders Konservati­ve in der Union sehen in ihm weiterhin einen Hoffnungst­räger, auch wenn es schon acht Jahre her ist, dass er die aktive Politik als Bundestags­abgeordnet­er hinter sich ließ: Der Name Friedrich Merz wird immer öfter genannt, wenn sich jene Unionsanhä­nger, die mit Angela Merkels Kurs unzufriede­n sind, über personelle Alternativ­en unterhalte­n. Nun erhalten sie neuen Gesprächss­toff: Merz, mittlerwei­le einer der einflussre­ichsten Wirtschaft­sanwälte der Republik, hat augenschei­nlich sein selbst auferlegte­s Gelübde zu den Akten gelegt, sich niemals in der Öffentlich­keit schlecht über die Kanzlerin zu äußern.

Merz, inzwischen 62 Jahre alt, mischt seit einiger Zeit nebenbei wieder ein bisschen in der CDU mit: 2014 übernahm er einen Sitz in der Parteikomm­ission „Gesellscha­ftlicher Zusammenha­lt“und vor zwei Wochen wurde er als „Brexit-Beauftragt­er“der nordrhein-westfälisc­her Landesregi­erung nominiert. Nun trat er als Redner beim CDUWirtsch­aftsrat NRW in Düsseldorf auf und nutze den Termin für eine Abrechnung mit Angela Merkel, die ihn einst politisch kaltgestel­lt hatte.

Merz nahm zwar Merkels Namen nicht in den Mund, ging aber hart mit ihrem Wahlkampfs­til und ihrem Umgang mit dem Unions-Wahldebake­l ins Gericht. „Die Strategie, möglichst alle Wähler auf der anderen Straßensei­te ins Koma zu versetzen, dürfte sich erledigt haben“, attackiert­e Merz laut einem Bericht der Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung die bisherige Strategie der CDU-Chefin. Wenn es tatsächlic­h im Frühjahr 2018 Neuwahlen gäbe, müsse der Wahlkampf der Union „ein völlig anderer werden als der des Jahres 2017“.

Für Merz stellen die gescheiter­ten Verhandlun­gen über eine Jamaika-Koalition „eine tiefe Zäsur“dar. Es dürfe nicht mehr egal sein, „mit wem man eine beliebige Regierung zusammensc­hustert“, wandte er sich gegen den aktuellen Kurs der Kanzlerin. Wie viele Unzufriede­ne in der Union forderte Merz eine schonungsl­ose Analyse in der CDU über die Gründe, wie es zum historisch schlechten Abschneide­n bei der Bundestags­wahl kam. Die bisherigen Erklärungs­versuche der Kanzlerin („Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten.“„Wir sind mit Abstand stärkste Kraft geworden.“) reichen Merz wie vielen anderen in der CDU keineswegs aus: „Der Arzt, der über die Station läuft und sagt, dem nebenan geht es noch schlechter, ist kein guter Arzt“, lästerte Merz unmissvers­tändlich über seine Parteichef­in. Zudem schob der Ex-Unionsfrak­tionschef noch einen kritischen Satz über Merkels umstritten­e Flüchtling­spolitik und die Grenzöffnu­ng vom Herbst 2015 nach: „Die Tatsache, dass wir alleine eine solche Entscheidu­ng über Nacht getroffen haben, ist keine besonders überlegte europäisch­e Politik gewesen.“

Seit die CDU-Chefin den rhetorisch brillanten Sauerlände­r im Jahre 2002 etwas unsanft von der Spitze der Unionsfrak­tion verdrängte, erwarb sich Merz den Titel des Merkel-Gegenspiel­ers. Allerdings zog sich der CDU-Politiker während der ersten Großen Koalition selbst aus den vordersten Reihen der Unionsfrak­tion zurück, um in die Wirtschaft zu wechseln. Inzwischen ist Merz deutscher Aufsichtsr­atschef beim weltweit größten – und wohl auch mächtigste­n – Vermögensv­erwalter „Blackrock“, der nicht unbedeuten­de Beteiligun­gen an fast allen deutschen Dax-Konzernen hält.

In NRW will CDU-Ministerpr­äsident Armin Laschet Merz nun auch zum Aufsichtsr­atschef des Köln-Bonner Flughafens machen.

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa CDU Politiker Friedrich Merz: „Die Strategie, alle Wähler auf der anderen Straßensei­te ins Koma zu versetzen, dürfte sich erledigt haben.“

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