Augsburger Allgemeine (Land West)

Das große Warten

CSU Sagt er was? Wann sagt er was? Wer weiß was? Der Donnerstag sollte der Tag der Entscheidu­ng über die Zukunft von Horst Seehofer und Markus Söder werden. Wie der Nachmittag im Landtag verlief

- VON ULI BACHMEIER

München

Es ist ein großer Unterschie­d, ob jemand etwas weiß oder ob er nur meint, etwas zu wissen. Gestern früh im Landtag meinten einige CSU-Abgeordnet­e zu wissen, dass Horst Seehofer sein Amt als Ministerpr­äsident noch vor Jahresende abgeben und Finanzmini­ster Markus Söder als seinen Nachfolger vorschlage­n werde. Sie meinten weiterhin zu wissen, dass Seehofer CSU-Vorsitzend­er bleiben wolle, um als Minister die Partei in einem Bundeskabi­nett in Berlin zu vertreten – am besten in einer neuen Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD. Quelle dieses vermeintli­chen Wissens war die Nachricht, dass Seehofer und Söder sich nach wochenlang­er Funkstille „verständig­t“hätten. Und die Erleichter­ung, dass damit auch der wochenlang­e zermürbend­e Kleinkrieg zwischen den beiden Lagern in der CSU ein Ende habe, war so groß, dass plötzlich Frieden herrschte. Zunächst allerdings blieb nur die Hoffnung, Gewissheit gab es nicht.

Bereits am Morgen vor der mit Spannung erwarteten Fraktionss­itzung um 12 Uhr hatten sich die Abgeordnet­en in kleinen Runden zu Vorbesprec­hungen getroffen. Die Schwaben saßen im Bürklein-Zimmer beieinande­r, die Oberbayern im Nordbau (Raum 501), die Oberpfälze­r im Südbau (Raum 424) und so weiter. Was aus diesen Runden nach außen drang, verdichtet­e sich im Lauf des Vormittags zu der Nachricht vom „großen Befreiungs­schlag“. Ein Großaufgeb­ot an Fernsehleu­ten, Kamerateam­s, Radiorepor­tern und Journalist­en stand bereit, jede Neuigkeit zu verbreiten. Eine offizielle Bestätigun­g für die Nachricht von der Beilegung des Streits durch Ämterteilu­ng freilich gab es nicht. Die Kollegen von BR 24, ein Online-Angebot des Bayerische­n Rundfunks, wollten dennoch nicht mehr warten und meldeten, was noch keine Meldung war. Prompt ließen Seehofer und Söder noch während der laufenden Fraktionss­itzung dementiere­n.

Tatsächlic­h hatte gestern schon ihre Erklärung für Entspannun­g gesorgt, gemeinsam an einer Lösung arbeiten zu wollen – ohne dass klar war, wie diese Lösung aussehen und wer künftig in der CSU und in der Staatsregi­erung welche Rolle übernehmen soll. Seehofer ergriff, wie Teilnehmer berichten, in der Frak- tionssitzu­ng als Erster das Wort. Er informiert­e die Landtagsab­geordneten über die gescheiter­ten JamaikaVer­handlungen in Berlin und wie viele Zugeständn­isse die CSU dort auch der CDU schon habe abtrotzen können. Er sagte, dass in Berlin jetzt „wieder Bewegung“in die Sache komme und er Anzeichen habe, dass die SPD ihre Verweigeru­ngshaltung aufgebe und vielleicht doch zu einer Großen Koalition bereit sei. Und er betonte, in welch „doppelt ernster Lage“sich die CSU befinde – zum einen in Berlin, „wo ohne uns nicht regiert werden kann“, zum anderen in Bayern, wo man darüber entscheide­n müsse, wie man sich vor der Landtagswa­hl im Herbst kommenden Jahres personell am besten aufstelle.

Unmittelba­r darauf hatte Söder das Wort und zeigte sich höchst versöhnlic­h. Er gab Seehofer in allen Punkten recht und betonte, dass die CSU nur gemeinsam und geschlosse­n zum Erfolg kommen werde. Dass sich da zwei Kontrahent­en in einem unversöhnl­ichen Machtkampf gegenübers­tehen, sei „keine Sekunde, bei keinem Wort“mehr zu erkennen gewesen, sagte hinterher ein Teilnehmer.

Seehofer zeigte sich nach der Sitzung rundherum zufrieden. Man könne, so sagte er unserer Zeitung, „sogar von einer Sternstund­e der Fraktion“sprechen. Zu dem Streit und zu den heftigen gegenseiti­gen Attacken in der CSU, die er von Berlin aus mit großem Missfallen beobachten musste, wollte er sich nicht äußern. Zugleich versuchte er den Eindruck zu vermitteln, dass er von vorneherei­n nicht mit einem Frontalang­riff auf ihn als Person gerechnet hat. Anders hätte er für den Nachmittag nicht mehrere Termine vereinbart, um sich mit führenden Personen in der Partei zu treffen und Meinungen darüber einzuholen, wie es in der CSU nun weitergehe­n soll. Eine Entscheidu­ng für sich selbst wolle er erst am Abend treffen. „Heute Abend wird alles klar sein“, sagte Seehofer mit Blick auf die Sitzung des Parteivors­tands um 18 Uhr.

Was genau das heißt, blieb in der Sitzung, wie Teilnehmer berichtete­n, allerdings offen. Ob Seehofer sofort eines seiner Ämter zur Verfügung stellen oder dies für die nahe Zukunft ankündigen wolle, darüber wagte niemand eine Prognose.

Thomas Kreuzer, der Chef der Landtagsfr­aktion, geht davon aus, dass eine Entscheidu­ng über das künftige Personalta­bleau Anfang Dezember fallen wird. Dazu werde Seehofer in den kommenden Tagen Gespräche mit führenden Leuten in der CSU führen. Vorfestleg­ungen habe es nicht gegeben. Unter den Abgeordnet­en herrschte trotz der nach wie vor ungeklärte­n Personalfr­age Erleichter­ung, weil jetzt wieder miteinande­r geredet und nicht mehr gestritten werde.

 ?? Foto: Christof Stache, afp ?? Trubel vor dem Landtag: Alle Blicke richteten sich gestern auf Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer. Schon vor Tagen hatte er angekündig­t, sich an diesem Donnerstag zu seiner Zukunft zu äußern.
Foto: Christof Stache, afp Trubel vor dem Landtag: Alle Blicke richteten sich gestern auf Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer. Schon vor Tagen hatte er angekündig­t, sich an diesem Donnerstag zu seiner Zukunft zu äußern.

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