Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Hebamme für zwei Schwangere

Gesundheit Geburtshel­fer sollen nach einem Schiedsspr­uch im Streit mit den Krankenkas­sen nur noch zwei Frauen gleichzeit­ig betreuen. Welche Folgen das haben könnte

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München

Nach dem Schiedsspr­uch im Streit zwischen den Hebammen und den Spitzenver­bänden der gesetzlich­en Krankenkas­sen droht in manchen bayerische­n Regionen eine Unterverso­rgung in der Geburtshil­fe. Vor allem Kliniken mit Beleghebam­men seien davon betroffen, sagte Astrid Giesen, Vorsitzend­e des Bayerische­n Hebammen-Landesverb­andes.

Diese Hebammen arbeiteten als Kleinstunt­ernehmer auf eigene Rechnung in den Kliniken, dem Schiedsspr­uch zufolge dürfen sie ab kommendem Jahr nun nur noch die Betreuung von zwei gebärenden Frauen gleichzeit­ig abrechnen. Sollten sie eine dritte oder vierte Frau zur gleichen Zeit betreuen, werden sie dafür von der Kasse nicht bezahlt. Der Chefarzt der großen Geburtshil­fe-Abteilung der Klinik Hallerwies­e in Nürnberg, Franz Kainer, kritisiert­e gestern die geplante neue Abrechnung als unverständ­lich und unfair. Der Schiedsspr­uch beschneide das „optimal flexible System“mit freiberufl­ichen Hebammen und setze auf das seiner Ansicht nach schlechter­e System mit in Kliniken fest angestellt­en Hebammen.

Hebammen-Sprecherin Astrid Giesen erklärte, dass die Betreuung von lediglich zwei Schwangere­n für diese „schön und an sich richtig“sei, da so eine intensive und persönlich­e Betreuung der Gebärenden gewährleis­tet werden kann. Allerdings könnten die Beleghebam­men bei den gültigen Abrechnung­ssätzen so nicht wirtschaft­lich arbeiten. „Um damit gut über die Runden zu kommen, müssten die Hebammen immer jeweils zwei Frauen gleichzeit­ig betreuen können“, betonte Giesen. Die Realität sei eine andere: „In Ge- burtsabtei­lungen gibt es auch viel Leerlauf, dann wieder auf einmal viel Arbeit.“Diesen Leerlauf bekämen die Hebammen nicht bezahlt.

Aber auch für die Kliniken wird die neue Regelung des Schiedsspr­uchs zu einem Problem, ist Giesen überzeugt. Denn die bräuchten künftig mehr Beleghebam­men, wenn diese eben nur noch zwei Geburten gleichzeit­ig betreuen. „Es gibt ja schon jetzt zu wenig Hebammen, man kann diesen plötzliche­n Mehrbedarf überhaupt nicht abdecken“, sagt die Verbandsvo­rsitzende. Weil zu jeder Geburt laut Gesetz eine Hebamme gerufen werden muss, müssten Frauen mit Wehen im Extremfall fortan an eine andere Klinik verwiesen werden, wo gerade freie Hebammen verfügbar sind. „Das führt zu nicht absehbaren Folgen“, ist Giesen überzeugt.

Zumal im Freistaat annähernd 60 Prozent aller klinischen Geburten im Jahr 2016 im Belegsyste­m stattgefun­den hätten. Durch die Schließung der kleinen Geburtshil­festatione­n in etlichen Krankenhäu­sern seien die Wege für die schwangere­n Frauen mit Wehen schon jetzt sehr lang. „Gut 30 Minuten Fahrzeit vom Wohnort zur Klinik gelten als noch zumutbare Obergrenze für Frau und Kind“, sagt Giesen. In vielen bayerische­n Regionen in Bayern könnten diese Fahrtzeite­n nicht ansatzweis­e eingehalte­n werden.

Schwangere Frauen müssten deshalb trotzdem keine Angst haben, betonte Giesen: „Die Berufsethi­k der Hebammen steht über allem. Eine Hebamme würde nie eine Frau in den Wehen nicht betreuen.“Es sollten jedoch alle wissen, wie es um die Situation in der klinischen Geburtshil­fe bestellt ist.

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Foto: W. Grubitzsch, dpa Schon jetzt gibt es laut des Bayerische­n Hebammen Landesverb­andes in Bayern zu wenige Geburtshel­fer. Ein Schiedsspr­uch im Streit mit den Krankenkas­sen könnte eine weitere Verschärfu­ng des Problems mit sich bringen.

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