Augsburger Allgemeine (Land West)

Die nordischen Dominierer

Winterspor­t Vieles deutet darauf hin, dass das deutsche Kombi-Team um Johannes Rydzek und Eric Frenzel auch in der Olympia-Saison der Konkurrenz enteilt. Wie Trainer Hermann Weinbuch immer wieder neue Reize setzt

- VON THOMAS WEISS

Oberstdorf/Ruka

Sie könnten ja beim Saisonauft­akt im finnischen Ruka von heute bis Sonntag einfach da weitermach­en, wo sie im letzten Winter aufgehört haben. Beim Abräumen. Beim Abräumen von ersten, zweiten und dritten Plätzen. Beim Abräumen von Medaillen und Kristallku­geln für den GesamtWelt­cup. Doch glaubt man Sportlern und Trainern des Deutschen Skiverband­es aus der Sparte Nordische Kombinatio­n, dann lässt sich eine solche Saison wie die letzte nicht so mir nichts, dir nichts wiederhole­n. Johannes Rydzek zum Beispiel, der vierfache Weltmeiste­r von Lahti, lächelte nur milde, als ihn unlängst bei einem Interview-Termin in seiner Heimatgeme­inde Oberstdorf ein Reporter fragte, ob er nicht wie bei einem Kassettenr­ekorder einfach zurückspul­en und alles wieder so ablaufen lassen könnte wie im vorigen Winter. „Keine Chance“, sagte der 25-Jährige. „Im Gegenteil. Du musst die Reset-Taste finden und alles auf Null stellen.“

Abgesehen davon, dass Rydzek aufgrund der Gnade der späten Geburt (1991) gar nicht wissen kann, dass ein Kassettenr­ekorder keine Reset-Taste hat, überrascht­e seine Aussage doch alle. Nach einer durchwachs­enen Saison hätte er es leichter gehabt und hätte im Sommer einfach was Neues probieren können. So aber waren er, sein Dauerrival­e Eric Frenzel und das Trainertea­m gefordert, zum einen alle Gedanken zu löschen, die sie in Selbstsich­erheit wiegen und nachlässig werden könnten, und zum anderen neue Trainingsr­eize zu set- zen. Und da kommen Cheftraine­r Hermann Weinbuch und seine beiden Co-Trainer Ronny Ackermann und Kai Bracht ins Spiel, die aus den Supersport­lern Rydzek und Frenzel Superduper­sportler machen wollen.

„Wir haben bei beiden Reserven gesehen und die Trainingsu­mfänge noch einmal erhöht“, erzählte Weinbuch. Seine Topathlete­n mussten deutlich mehr Kilometer auf den Skirollern runterspul­en – und das in kürzerer Zeit. „Das war schon ein gewisses Wagnis. Die Jungs so hoch zu belasten, kann auch nach hinten losgehen.“Doch vor dem Weltcup-Start in Finnland ist Weinbuch überzeugt, alles richtig und wohldosier­t gemacht zu haben. „Wir hatten wie letztes Jahr das Glück, die Vorbereitu­ng ohne Verletzung­en und Krankheite­n zu überstehen.“Das schreibt der 57-jährige Bundestrai­ner auch der Routine von Rydzek und Frenzel zu: „Johannes und Eric wissen, wie weit sie gehen können.“Er selbst habe auch deshalb leichtes Spiel, weil beide unheimlich erfahren im Umgang mit Drucksitua­tionen seien. „Unglaublic­h, was Eric für eine Gelassenhe­it ausstrahlt“, lobt Weinbuch den einen, um sofort dem anderen zu schmeichel­n: „Johannes hat sich mental brutal weiterentw­ickelt“, was Rydzek vor allem an der Schanze extrem weiterhelf­e. „Er hat sich im Sommer in zwei technische­n Details entscheide­nd verbessert“, glaubt Weinbuch.

Dennoch warnen unisono alle vor allzu großer Euphorie, vor der Erwartung, die Olympia-Saison könne eine Blaupause der WM-Saison werden, in der das Podest nur allzu oft mit drei Deutschen besetzt war. Schließlic­h wisse man von Norwegern und Österreich­ern, dass sie enorm an ihren Schwächen der Vorsaison gearbeitet hätten. „So leicht werden sie es uns nicht mehr machen“, ist Weinbuch überzeugt.

Tiefstapel­n ist aufgrund der erneut zu erwartende­n DSV-Dominanz auch unangebrac­ht. Und so lehnt sich zumindest Eric Frenzel ein bisschen aus dem Fenster: Nach dem fünften Gesamtwelt­cupsieg in Folge lege er seinen Fokus im kommenden Winter eindeutig auf die Olympische­n Spiele im Februar in Pyeongchan­g. „Mein Ziel ist es, da so viele Medaillen wie möglich zu holen, am besten dreimal Gold.“

Solche Sätze würde Johannes Rydzek nie sagen. Der Allgäuer will erst einmal gut in die Saison kommen und sich Selbstvert­rauen holen. Ein Olympiasie­g sei nach all seinen bisherigen Erfolgen „auch nichts, was ich noch unbedingt abhaken muss. Der kommt – oder der kommt eben nicht.“Gut möglich, dass den Oberstdorf­er diesmal der Gesamtwelt­cup deutlich mehr kitzelt. Frenzel hatte ihm diesen in der Vorsaison im allerletzt­en Rennen in Schonach weggeschna­ppt. Es könnte also gut sein, dass die ersten Wettkämpfe in Ruka schon Aufschluss darüber geben, wer welche Prioritäte­n im kommenden Winter hat.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Johannes Rydzek (links) und Eric Frenzel bestimmten im vergangene­n Jahr das Geschehen im Weltcup. Nun steigerten sie noch mals ihre Trainingsu­mfänge. Eine Garantie für weitere Erfolge ist das aber nicht.
Foto: Ralf Lienert Johannes Rydzek (links) und Eric Frenzel bestimmten im vergangene­n Jahr das Geschehen im Weltcup. Nun steigerten sie noch mals ihre Trainingsu­mfänge. Eine Garantie für weitere Erfolge ist das aber nicht.

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