Augsburger Allgemeine (Land West)
Krimineller Doping Handel in großem Maßstab
Justiz Sie handelten kiloweise mit Arzneimitteln, die in Labors im Großraum Berlin hergestellt worden waren. Die Mittel verkauften sie auch an Kraftsportler in der Region. Welche Urteile die Täter nun erhielten
Wenn sie telefonierte, hörten Ermittler heimlich mit. Die Frau lud öfters zum „Kaffeetrinken“zu sich nach Hause ein. Das war zunächst nicht weiter auffällig. Bis die Augsburgerin den Fehler beging, sich mit Bekannten beim Burger King zu verabreden. Sie kündigte an, „Kuchen“mitzubringen. In einem Schnellimbiss? Die Fahnder ahnten, sie sind auf der richtigen Spur.
Mit den im Mai vorigen Jahres erfolgten Festnahmen haben Zoll und Kripo einen bundesweiten Handel großer Mengen an Dopingmitteln aufgedeckt. Fünf Männer und jene Augsburgerin sind jetzt in Augsburg vor der 1. Strafkammer zu Haftstrafen verurteilt worden. Wegen bandenmäßigen, unerlaubten Handels mit verschreibungspflichtigen Arzneien und Dopingmitteln im Sport.
Unter den Tätern, die geständig waren, sind drei Brüder, die bis zu ihrer Verhaftung im Raum Berlin lebten. Einer von ihnen, 32 Jahre alt, muss für sechs Jahre ins Gefängnis. Vier Jahre haben er und Mitarbeiter ein Untergrundlabor betrieben. Eine Firma in China lieferte die Rohstoffe für die dort illegal hergestellten Anabolika, die bundesweit verschiedene Präparate, angeboten unter Markennamen. Zum Verhängnis wurde der Bande ein vom Zoll abgefangenes Postpaket, gerichtet an die Augsburgerin. Die zierliche Angeklagte war bis zu ihrer Festnahme aktive Bodybuilderin. Die heute 60- Jährige hat wiederholt an nationalen wie internationalen Wettkämpfen teilgenommen.
Wie sie im Prozess gestand, hatte sie bei dem Hauptangeklagten elf Bestellungen aufgegeben. Das letzte ausgelieferte Paket, sicherheitshalber an die Adresse ihres damaligen Freundes und heutigen Ehemanns ausgeliefert, wog mehr als zehn Kilogramm. Es enthielt Kapseln und Ampullen mit verschiedenen anabolen Wirkstoffen. Einige Präparate waren gefälscht, ihr Inhalt entsprach nicht dem Etikett, war in Wahrheit wirkungslos. Ermittler fanden die Ware in einem Fitnessstudio in der wo ihr Freund als Trainer arbeitete – in der Damenumkleide, versteckt in zwei mit Sicherheitsschlössern versperrten Spinden.
Das anfangs im Umland von Berlin angesiedelte Labor wechselte mehrfach seine Geschäftsräume. Zuletzt verlegte es Produktion und Lager nach Berlin in eine angemietete Wohnung. Die Tagesproduktion des Labors schwankte zwischen 1000 und 5000 Kapseln. Für 100 Liter einer Steroidlösung benötigte das Labor zwei bis drei Tage. Die Bande ging arbeitsteilig vor. Einzelne Mitglieder waren bestimmt, die verpackte Ware bei der Post aufzugeben. Der Lieferant der Grundsubstanzen, die aus China kamen, blieb bis heute unbekannt. Die Berliner bestellten über das Internet bei seinem Kontaktmann. Für eine Lieferung zahlten sie 50000 US-Dollar. Das Geld ging auf ein Konto in Hongkong. Das im Dezember 2015 vom Bundestag verabschiedete „Gesetz gegen Doping im Sport“bestraft seither auch die Einnahme von Dopingmitteln. Haftstrafen bis zu zehn Jahren können verhängt werden, wenn jemand eine größere Zahl Menschen durch Herstellung und Handel gefährdet. So gesehen kamen alle Angeklagten mit milden Strafen davon. Auch weil Oberstaatsanwalt Gräber in seinem Plädoyer sich besonders für den Haupttäter eingesetzt hatte. Der stellte sich der Justiz im Kampf gegen Doping im Sport als Kronzeuge zur Verfügung. Aufgrund seiner Hinweise konnten in Österreich und in Niederbayern weitere Tatverdächtige festgenommen werden oder sind bereits verurteilt.
Claus Pätzel, der Vorsitzende der Strafkammer, sprach im Urteil von „vergleichsweise niedrigen StraPfalz, fen“, was er mit frühzeitigen Geständnissen der Angeklagten begründete. Besonders milde fiel das Urteil für die Augsburgerin aus. Das Gericht beließ es bei einer zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafe von knapp zwei Jahren, wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die Frau ihren Sohn und ihren Ehemann pflegt. Im Prozess hatte der Sachverständige Detlef Thieme darauf hingewiesen, in welche Gefahr sich Sportler begeben, die Anabolika einnehmen. Die Einnahme kann zu Haarausfall führen, bei Männern vergrößern sich durch Wassereinlagerung die Brustdrüsen, zeitweise können sie impotent werden. Oft werden Herzmuskel und Leber geschädigt. Wer das Zeug einnimmt, so der Sportbiologe, der für die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA arbeitet, spielt mit seinem Körper „russisches Roulette“.