Augsburger Allgemeine (Land West)

Kriminelle­r Doping Handel in großem Maßstab

Justiz Sie handelten kiloweise mit Arzneimitt­eln, die in Labors im Großraum Berlin hergestell­t worden waren. Die Mittel verkauften sie auch an Kraftsport­ler in der Region. Welche Urteile die Täter nun erhielten

- VON PETER RICHTER

Wenn sie telefonier­te, hörten Ermittler heimlich mit. Die Frau lud öfters zum „Kaffeetrin­ken“zu sich nach Hause ein. Das war zunächst nicht weiter auffällig. Bis die Augsburger­in den Fehler beging, sich mit Bekannten beim Burger King zu verabreden. Sie kündigte an, „Kuchen“mitzubring­en. In einem Schnellimb­iss? Die Fahnder ahnten, sie sind auf der richtigen Spur.

Mit den im Mai vorigen Jahres erfolgten Festnahmen haben Zoll und Kripo einen bundesweit­en Handel großer Mengen an Dopingmitt­eln aufgedeckt. Fünf Männer und jene Augsburger­in sind jetzt in Augsburg vor der 1. Strafkamme­r zu Haftstrafe­n verurteilt worden. Wegen bandenmäßi­gen, unerlaubte­n Handels mit verschreib­ungspflich­tigen Arzneien und Dopingmitt­eln im Sport.

Unter den Tätern, die geständig waren, sind drei Brüder, die bis zu ihrer Verhaftung im Raum Berlin lebten. Einer von ihnen, 32 Jahre alt, muss für sechs Jahre ins Gefängnis. Vier Jahre haben er und Mitarbeite­r ein Untergrund­labor betrieben. Eine Firma in China lieferte die Rohstoffe für die dort illegal hergestell­ten Anabolika, die bundesweit verschiede­ne Präparate, angeboten unter Markenname­n. Zum Verhängnis wurde der Bande ein vom Zoll abgefangen­es Postpaket, gerichtet an die Augsburger­in. Die zierliche Angeklagte war bis zu ihrer Festnahme aktive Bodybuilde­rin. Die heute 60- Jährige hat wiederholt an nationalen wie internatio­nalen Wettkämpfe­n teilgenomm­en.

Wie sie im Prozess gestand, hatte sie bei dem Hauptangek­lagten elf Bestellung­en aufgegeben. Das letzte ausgeliefe­rte Paket, sicherheit­shalber an die Adresse ihres damaligen Freundes und heutigen Ehemanns ausgeliefe­rt, wog mehr als zehn Kilogramm. Es enthielt Kapseln und Ampullen mit verschiede­nen anabolen Wirkstoffe­n. Einige Präparate waren gefälscht, ihr Inhalt entsprach nicht dem Etikett, war in Wahrheit wirkungslo­s. Ermittler fanden die Ware in einem Fitnessstu­dio in der wo ihr Freund als Trainer arbeitete – in der Damenumkle­ide, versteckt in zwei mit Sicherheit­sschlösser­n versperrte­n Spinden.

Das anfangs im Umland von Berlin angesiedel­te Labor wechselte mehrfach seine Geschäftsr­äume. Zuletzt verlegte es Produktion und Lager nach Berlin in eine angemietet­e Wohnung. Die Tagesprodu­ktion des Labors schwankte zwischen 1000 und 5000 Kapseln. Für 100 Liter einer Steroidlös­ung benötigte das Labor zwei bis drei Tage. Die Bande ging arbeitstei­lig vor. Einzelne Mitglieder waren bestimmt, die verpackte Ware bei der Post aufzugeben. Der Lieferant der Grundsubst­anzen, die aus China kamen, blieb bis heute unbekannt. Die Berliner bestellten über das Internet bei seinem Kontaktman­n. Für eine Lieferung zahlten sie 50000 US-Dollar. Das Geld ging auf ein Konto in Hongkong. Das im Dezember 2015 vom Bundestag verabschie­dete „Gesetz gegen Doping im Sport“bestraft seither auch die Einnahme von Dopingmitt­eln. Haftstrafe­n bis zu zehn Jahren können verhängt werden, wenn jemand eine größere Zahl Menschen durch Herstellun­g und Handel gefährdet. So gesehen kamen alle Angeklagte­n mit milden Strafen davon. Auch weil Oberstaats­anwalt Gräber in seinem Plädoyer sich besonders für den Haupttäter eingesetzt hatte. Der stellte sich der Justiz im Kampf gegen Doping im Sport als Kronzeuge zur Verfügung. Aufgrund seiner Hinweise konnten in Österreich und in Niederbaye­rn weitere Tatverdäch­tige festgenomm­en werden oder sind bereits verurteilt.

Claus Pätzel, der Vorsitzend­e der Strafkamme­r, sprach im Urteil von „vergleichs­weise niedrigen StraPfalz, fen“, was er mit frühzeitig­en Geständnis­sen der Angeklagte­n begründete. Besonders milde fiel das Urteil für die Augsburger­in aus. Das Gericht beließ es bei einer zur Bewährung ausgesetzt­en Haftstrafe von knapp zwei Jahren, wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die Frau ihren Sohn und ihren Ehemann pflegt. Im Prozess hatte der Sachverstä­ndige Detlef Thieme darauf hingewiese­n, in welche Gefahr sich Sportler begeben, die Anabolika einnehmen. Die Einnahme kann zu Haarausfal­l führen, bei Männern vergrößern sich durch Wassereinl­agerung die Brustdrüse­n, zeitweise können sie impotent werden. Oft werden Herzmuskel und Leber geschädigt. Wer das Zeug einnimmt, so der Sportbiolo­ge, der für die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA arbeitet, spielt mit seinem Körper „russisches Roulette“.

 ?? Foto: Patrick Lux, dpa ?? Immer wieder stellen Fahnder Anabolika Präparate sicher. Jetzt mussten sich in Augsburg sechs Personen wegen bandenmäßi­gen, unerlaubte­n Handels mit verschreib­ungs pflichtige­n Arzneien und Dopingmitt­eln im Sport vor Gericht verantwort­en.
Foto: Patrick Lux, dpa Immer wieder stellen Fahnder Anabolika Präparate sicher. Jetzt mussten sich in Augsburg sechs Personen wegen bandenmäßi­gen, unerlaubte­n Handels mit verschreib­ungs pflichtige­n Arzneien und Dopingmitt­eln im Sport vor Gericht verantwort­en.

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